Brief zur Musterberufsordnung
Folgenden Aufruf richtete der BDP-Vorstand, vertreten durch seinen Vize-Präsidenten Uwe Wetter am 10.01.2006 an diejenigen Delegierten der Bundespsychotherapeutenkammer, die Mitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen sind:
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir wenden uns an Sie als Delegierte der Bundespsychotherapeutenkammer, die am 13.01.2006 über die Musterberufsordnung entscheiden. Die Kammer plant in der neuen Berufsordnung eine Regelung, nach der sich Kammermitglieder nur dann in ein Verzeichnis eintragen lassen dürfen, wenn dieses einen kostenlosen Grundeintrag ermöglicht (Beschlussvorlage § 23 (5), S. 22).
Diese Regelung trifft uns mittelbar, da wir mit dem PID (Psychotherapie-Informations-Dienst, www.psychotherapiesuche.de, 0228/746699) ein seit über 10 Jahren eingesessenes, weithin bekanntes und akzeptiertes Verzeichnis anbieten, welches jedoch mit einem kostenlosen Grundeintrag nicht wirtschaftlich geführt werden könnte. Wenn Sie diesem Passus zustimmen, muss der PID seine Tätigkeit einstellen.
Die Regelung betrifft zudem zahlreiche Kammermitglieder und Kollegen aus Kliniken und Beratungsstellen, die den kostenlosen Beratungs- und Informationsservice PID für Patienten, Klienten, Ratsuchende, Behörden, Verbände, Kostenträger usw. auch weiterhin nutzen möchten. Die Tatsache, dass die Teilnehmer unseres Verzeichnisses gerne bereit sind, die geringe Gebühr von € 6,- im Monat zu bezahlen, zeigt, dass diejenigen Kammermitglieder, die Kunden des PID sind, ein großes Interesse daran haben, in unserem Verzeichnis geführt zu werden.
Das PID-Verzeichnis steht jedem Kammermitglied gleichermaßen offen und ist unabhängig von jeglicher Verbandsmitgliedschaft. Der Beitrag ist nicht ungewöhnlich hoch und wird nicht dafür verwendet, in wettbewerbsverzerrender Weise oder mit sachfremden Kriterien auf das Verzeichnis des PID aufmerksam zu machen, sondern dafür, hilfesuchende Patienten an 18 Wochenstunden professionell durch qualifiziertes Personal (Diplom-Psychologinnen) zu beraten. Mit diesem Service werden zwei Ziele erreicht: Zum einen erfüllt der PID damit ein Allgemeininteresse im Sinne der Daseinsvorsorge, zum anderen bedient er damit berechtigte wirtschaftliche Interessen der Verzeichniskunden, die mittelbar diesen Service für die Patienten und Klienten finanzieren.
Die geplante Regelung verletzt die Kammermitglieder, die im PID-Verzeichnis aufgeführt sind oder werden wollen in ihrem Recht auf freie Berufsausübung und entspricht nicht dem, was in einer Berufsordnung geregelt werden sollte. Wie die Gerichte in mehreren Urteilen dargelegt haben, kann ein Werbeverbot durch Kammern nur insoweit erfolgen, als dies zum Schutz der Patienten erforderlich ist. In der geplanten Regelung ist dieses Erfordernis missachtet, denn sie impliziert ohne sachlichen Grund, dass jedes Verzeichnis, dass keinen kostenfreien Grundbeitrag vorsieht, kategorisch immer in einer Weise ökonomische Interessen bedient, die nicht mehr mit dem Schutz der Bevölkerung vereinbar sind. Es mangelt an einer verhältnismäßigen Differenzierung.
Vermutlich sind unseriöse Anbieter gemeint, die unaufgefordert Rechnungen für dubiose Online-Branchenverzeichnisse in Höhe von € 500,- versenden und keinerlei Gegenleistung bieten. Diese wird man jedoch auch mit einer solchen Regelung nicht abschaffen, denn sie werden weiterhin ihre irreführenden Rechnungen unaufgefordert versenden, dann mit dem versteckten Hinweis in Mikroschrift, dass man auch einen "Mini-Grundeintrag" umsonst bekommen könne.
Es ist nicht zu erkennen, dass ein Verzeichnis, das einen kostenlosen Grundeintrag ermöglicht, stets eine sachliche und gleichmäßige Information gewährleistet. Gerade private Verzeichnisse unterliegen dem erhöhten Druck, zur Mitfinanzierung kostenfreier Einträge für die zahlende Kundschaft eine Präsenz zu entwickeln, die viel eher die Befürchtung zulässt, es gehe nur noch nachrangig um sachliche und gleichmäßige Information. Da auch bei Verzeichnissen mit kostenfreien Grundeintrag keine Pflicht der Kammermitglieder auf Eintragung besteht, kann die Vollständigkeit eines Verzeichnisses kein relevantes Kriterium sein: Auch Verzeichnisse mit kostenfreiem Grundeintrag können keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
Verbietet eine Kammer ihren Mitgliedern generell die Eintragung in bestimmte Verzeichnisse, so ist dies nur gerechtfertigt, wenn generell von solchen Verzeichnissen eine Gefahr für die Bevölkerung ausgeht. Es ist aber keine generelle Gefahr bei Verzeichnissen ohne kostenfreien Grundeintrag erkennbar, die nicht auch generell bei Verzeichnissen mit kostenfreiem Grundeintrag auftreten können. So hat die LPK BaWü einen entsprechenden Passus wieder aus dem ersten Entwurf ihrer Berufsordnung gestrichen mit dem Argument, dass Berufsordnungen nicht mehr als nötig regeln sollten. Auch die anderen Länderkammern leben seit Jahren sehr gut ohne eine solche Passage. Hinzu kommt, dass Delegierte aus Bremen in ihrem Kommentar aus der Arbeitsgruppe Musterberufsordnung ebenfalls Sinn und Zweck eines solchen Vorhabens anzweifeln.
Eine andere Ebene erreicht das Vorgehen der Kammer, wenn sie nicht nur eine solche Regelung trifft, sondern selbst Wettbewerber im Markt der Verzeichnisanbieter ist und sich mit dieser Regelung einen Vorteil verschafft (die Kammer hat aufgrund der Zwangsbeiträge einen erheblichen finanziellen Vorteil und bietet ihren Mitgliedern selbstverständlich einen solchen kostenlosen Grundeintrag). Dann handelt es sich nicht nur um eine Frage unzulässiger Einschränkung der Berufsfreiheit, sondern kann schadensersatz- und sogar amtshaftungsrechtliche Konsequenzen infolge von Wettbewerbs- und eventuell Kartellrecht haben. Deshalb ist es im Interesse aller Beteiligten, wenn Sie gegen diese Regelung stimmen, bzw. für die ersatzlose Streichung der entsprechenden Regelung.