Corona: Was tun als Alleinstehende*r an Weihnachten?

Viel zu selten wird momentan über Singles (oder besser: Alleinstehende) gesprochen. Viele Artikel richten sich meist auf die Frage, wie Familien oder Paare mit der andauernden Pandemie und den anstehenden Feiertagen umgehen. Dabei trifft die Isolation die Alleinstehenden derzeit besonders hart. BDP-Mitglied Christine Backhaus gibt im Interview ein paar Tipps.

Welche Ratschläge haben Sie für Alleinstehende, die die Feiertage ohne Familie verbringen?
Christine Backhaus: Zur eigenen Einsamkeit stehen. Ein „du fehlst mir“ oder „das fehlt mir“ kommunizieren. Sich menschlich, verletzbar, angreifbarer zeigen als nur im Funktionsmodus.

Aus der nicht frei gewählten Isolation herausschauen, wo sind Gleichgesinnte? Wem könnte Kontakt – virtuell, an der Luft oder zu zweit – ebenfalls guttun? Nicht scheuen, auch Familien um Anschluss, Austausch zu bitten. Oft nehmen Alleinstehende auf ihre Freunde zu viel Rücksicht, wenn diese dann Kinder und eigene Familie haben. Nicht persönlich nehmen, wenn die nicht mehr so verfügbar sind. Sich anbieten, Aufgaben zur Vorbereitung zu übernehmen. Sich integrieren. Das „Pflegekind“ spielen. Annehmen können. Aushalten können, wenn andere das „große Glück“ zu haben scheinen, was einem selbst gerade so sehr fehlt. 

Fragen, ob es in Ordnung ist, wenn man ggf. auch spontan dazu kommt. Anderen mitteilen, dass man momentan zum „sich einigeln“ neigt. Sich verabreden zum gemeinsamen Sport, neue Rituale schaffen. Versöhnliches initiieren z. B. mit Menschen, zu denen man den Kontakt unreflektiert und aus dem Affekt abgebrochen hat. Kleine Messages, kleine Bildchen schicken. Es muss nicht immer was Großes sein! Social Media nutzen! Liken, Kommentieren, Anteil nehmen, selbst posten, sich zeigen. Andere so behandeln, wie man es selbst gernhätte. Fragen, wie es ihnen (wirklich) geht. 

Wie hilfreich sind die derzeit so häufig angepriesenen Self-care-Rituale?
Christine Backhaus:
 Viele Alleinstehende, die schon länger Single sind, mussten sich früher oder später um sich selbst kümmern, auch, um attraktiv zu bleiben oder wieder zu werden.  Nicht wenige haben das dann über die Zeit so optimiert und ausgereizt, dass vor lauter Selbstliebe auch mal überkompensiert wurde. Viel Sport, viel Reisen, viel Yoga, viel Genuss, Wellness und Konsum, viel Job, Karriere und viele z. T. auch oberflächliche Kontakte, Dates usw.

Sehr viel von dem ist seit Corona nicht oder nur noch sehr eingeschränkt möglich und die (gebliebene) Bedürftigkeit, der allzu menschliche Wunsch nach Nähe, Kontakt und Beziehung (eines unserer Hauptmotive) wird wieder stärker gespürt und kann gleichzeitig aber nicht befriedigt werden. Das ist hart! Und da stoßen wir mit materiellen Dingen und externen Reizen an die Grenzen von Self-Care. Es bleibt ein Vakuum. Bleibt einem die kognitive Phantasie, ein Leben im „als ob“, wovon wir sonst ja eher abraten. Hier kann es nun hilfreich sein, um der Realität mit Träumen, Visionen und schönen Bildern z. B. von der nächsten großen Reise zumindest in Gedanken zu entfliehen. Sich einfach mal „wegbeamen“ in eine schönere Zeit. Und sich fragen: Wie kann die konkret aussehen? Was ist zu tun? Schönes für „danach“ planen, um sich bei Laune zu halten. Und um den Lebenssinn zu behalten. Das ganze wie ein kleines Projekt aufsetzen. Wann haben wir schon mal die Zeit dazu? Fernsehdokus schauen. Sich Inspiration holen. Oder Serien! Teil werden von etwas. Wiederholungen geben Struktur und auch hier: Vorfreude ist die schönste Freude. Und wenn es nur der tägliche Beginn einer ganz normalen Seifenoper ist.

Sehen Sie auch Chancen in der Krise?

Christine Backhaus: Die große Chance ist für Alleinstehende, dass das Bedürfnis nach Zweisamkeit wieder einmal gespürt werden darf und wir dürfen schonungslos ehrlich zu uns sein, was wir in der Vergangenheit wirklich für seine Befriedigung getan haben. Standen sich viele da nicht vielleicht manchmal auch selbst im Wege oder haben Konstellationen vor sich und anderen schöngeredet? Bringt uns jetzt alles nix! „Anerkennen was ist“ lautet die Devise und kann eine neue Geisteshaltung sein. Noch wichtiger: aus dieser Selbstreflexion die eigenen Schlüsse ziehen für das jetzt und dem, was danach kommen möge.

Was können Menschen tun, die zusätzlich neu in einer Stadt sind?

Christine Backhaus: Es gibt diverse Plattformen und Communities hierfür. Auch online! [Anmerkung der Redaktion: Hier zu nennen ist etwa die Aktion Keine(r) bleibt allein.]

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