Stellungnahme Arbeitsgruppe Recht der Verbandskonferenz der BAFM zur Reform des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG)
Der BDP ist in der Arbeitsgruppe vertreten und hat diese Vorschläge mit erarbeitet.
Vorschläge an den Gesetzgeber zur Reform des Rechtsberatungsgesetzes
Ausgangspunkt: Mediation wird in Deutschland seit Mitte der achtziger Jahre angeboten. Von Anfang an war sie interdisziplinär ausgerichtet, d.h. Mediation führen u. a. PsychologInnen, SozialpädagogInnen und RechtsanwältInnen durch. Im Verlauf der sich zunächst vornehmlich im Familienbereich entwickelnden Methodenetablierung ent-stand die Fragestellung, ob die Tätigkeit von nicht-anwaltlichen MediatorInnen in justiziablen Feldern einen Verstoß gegen das Rechtsberatungs-gesetz darstellt. Dabei ging es vor allem um die Trennungs- und Scheidungsmediation und dort um die Bereiche Unterhalt, Zugewinnausgleich und Vermögensauseinandersetzung, Altersversorgung, Sorge- und Umgangsrecht. Auf dem Hintergrund der damals wenig eingeführten und bekannten Unterscheidung zwischen den Tätigkeiten Beratung und Mediation ergaben sich vielfältige und z.T. stark gegensätzliche Positionen und Interpretationen.
In einer rigorosen Ansicht, die auch Eingang in die Rechtsprechung fand, wurde die Auffassung vertreten, dass jede Mediatorentätigkeit Rechtsbesorgung sei. Daraus folgend wurde argumentiert, dass die Durchführung von Mediation durch Nicht-Rechtsanwälte regelmäßig einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz darstelle. Auch wenn diese Auffassung eine Mindermeinung blieb, ist dennoch eine erhebliche Rechtsunsicherheit entstanden, die psychosoziale MediatorInnen in ihrer Arbeitsfähigkeit einschränken. Bei jedem Schritt in der Mediation, in dem rechtliche Aspekte tangiert sind und vermehrt noch bei jeder rechtlich verbindlichen Vereinbarung oder Formulierung derselben, stellt sich die schon für Juristen schwierige Frage nach der potentiellen Strafbarkeit der konkreten Handlung. Diese Verunsicherung wirkte bremsend auf die Etablierung der Familienmediation und der weiteren Bereiche der Mediation aus.
Die Verbandskonferenz hat sich in mehreren Sitzungen mit dieser Fragestellung befasst, zuletzt im Rahmen der Fachtagung 2003 an der Evangelischen Akademie in Bad Boll zur gesetzlichen Absicherung der Familienmediation. Innerhalb der Diskussionen der BAFM wurde die Tätigkeit der Mediation als im Kern kommunikative Handlung eines neutralen Dritten mit dem Ziel der Herstellung von Verständigungsprozessen bzw. der Ermächtigung der Parteien dazu verstanden. Eine gegen die Neutralität verstoßende Beratung kann unter Einhaltung des in den BAFM Richtlinien beschriebenen professionellen Rollenverständnisses in der Mediation nicht stattfinden.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 27.09.2002 – 1 BvR 2251/01 – klargestellt hat, dass ein zu weites Verständnis des Begriffs Rechtsbesorgung die Berufsfreiheit von Nicht-Rechtsanwälten einengt, scheint im Grundsatz geklärt, dass eine ordnungsgemäß, d.h. in Übereinstimmung mit den Richtlinien der BAFM, durchgeführte Mediation nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstößt.
Gleichwohl wünschen wir eine Klarstellung, denn nur so haben MediatorInnen den notwendigen Handlungsspielraum für ihre Arbeit. Andernfalls sind sie übermäßig damit beschäftigt, ob ein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorliegt.
Wir haben uns in unseren Beratungen auch festgestellt, dass diese Unsicherheit den Aufbau interdisziplinärer Kooperationen und die Ausbreitung des Angebots Mediation behindert. Daher regen wir eine Gesetzesänderung an und möchten uns dazu in folgender Weise äußern.
Gesetzgebungsvorschlag: In einer Neuregelung des Rechtsberatungsgesetzes soll folgender Grundsatz verankert sein:
Der Mediator/die Mediatorin übt keine unerlaubte Rechtsberatung aus, wenn die Mediation von anwaltlicher Rechtsberatung begleitet ist.
Begründung:
1. Auf eine Definition des Begriffes Mediator wird hier verzichtet – eine Begriffsklärung muss an anderer Stelle erfolgen.
2. Es gehört zu den Grundregeln von Mediation, dass eine parteiliche Rechtsberatung in der Mediation nicht stattfindet, auch nicht durch RechtsanwältInnen oder NotarInnen.
3. Nach den Richtlinien der BAFM ist die parteiliche Rechtsberatung obligatorisch. Unter V 1 – Der Beratungsanwalt/die Beratungsanwältin heißt es:
„Ist der Mediator/die Mediatorin nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht selbst zur Rechtsberatung befugt, so hat die Beratung durch die Anwälte/Anwältinnen der Parteien rechtzeitig zu erfolgen. Auch der Anwaltsmediator/die Anwaltsmediatorin wirkt darauf hin, dass die Vereinbarung erst nach parteilicher Rechtsberatung Verbindlichkeit erlangt.“
4. Insofern haben MediatorInnen die Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass Rechtsberatung in Anspruch genommen wird. Falls die MediandInnen dieser Aufforderung nicht Folge leisten, wird teilweise die Auffassung vertreten, der Mediator müsse dann seine Tätigkeit beenden. Andere wollen nicht so weit gehen; vielmehr habe der Mediator mit dem ausdrücklichen Hinweis seine Obliegenheit erfüllt.
Abgesehen davon, dass der Mediator immer Schwierigkeiten haben kann, die tatsächlich erfolgte Inanspruchnahme einer Rechtsberatung genau zu überprüfen, sollte er keinen Sanktionen nach dem Rechtsberatungsgesetz ausgesetzt sein, wenn die MediandInnen seiner Empfehlung nicht folgten.
Abgesehen davon, dass unklar ist, inwieweit der Mediator tatsächlich überprüfen kann, ob eine Rechtsberatung tatsächlich stattgefunden hat, kann dies nicht zu einem Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz führen.
5. Der Grundsatz, dass die Mediationsparteien Rechtsrat einholen, entspringt dem Grundsatz der bewussten informierten Entscheidung. Diese basiert im Kern auf der Gewährleistung einer umfassenden Informiertheit und besteht als grundlegendes Prinzip unabhängig vom Rechtsberatungsgesetz. Sinnvollerweise können Entscheidungen erst getroffen werden, wenn ihre Auswirkungen und Risiken sowie Alternativen nach allen Seiten hin überprüft worden sind. Das impliziert, dass Parteien ebenso aufzufordern sind, Rat bei Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern, Psychologen, Kindertherapeuten und Pädagogen zu suchen, je nachdem, in welchem Bereich Entscheidungen zu treffen sind. Der Grundsatz der informierten Entscheidung dient als solcher ebenso wie das Rechtsberatungsgesetz dem Verbraucherschutz.
6. Die vorgeschlagene Formulierung lässt offen, in welcher Form die Rechtsberatung stattfindet und trägt den unterschiedlichen Erscheinungsformen für die Einbeziehung des Rechts Rechnung, die sich in der Praxis entwickelt haben:
a) Die Parteien der Mediation werden jeweils durch einen externen Rechtsanwalt beraten (Beratermodell);
b) ein Rechtsanwalt wird als Experte in den Mediationsprozess eingeführt (Expertenmodell);
c) die Mediation wird von einem interdisziplinären Team praktiziert, das sich aus einem psychosozialen und einem anwaltlichen Mediator zusammensetzt (Tandemmodell).
7. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die gesetzlichen Möglichkeiten für eine institutionalisierte Kooperation zwischen anwaltlichen und MediatorInnen aus anderen Berufsgruppen erweitert werden sollten. § 59a BORA schränkt die Kooperationsmöglich-keiten zu weit ein. Folgende gesetzliche Regelungen sollten für alle Mediatorinnen gelten:
a) die Verschwiegenheitspflicht (§ 43a Abs. 2 Satz 1 BRAO), 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB
b) das Zeugnisverweigerungsrecht (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO)
c) die Beschlagnahmefreiheit (§ 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1, 3 StPO).
8. Der kritische Bereich des Rechtsberatungsgesetzes ist erst tangiert, wenn sie in einem justiziablen Bereich stattfindet. Daher ist bei einigen Themen der Familienmediation der Verzicht auf Rechtsberatung vorstellbar, z.B. bei Eltern-Jugendlichen-Mediation zu den Themen Taschengeld und Ausgehzeiten. Sobald jedoch ein Konflikt (auch) mithilfe der Gerichte geregelt werden könnte, wird die Rechtsberatung obligatorisch. Die Verpflichtungen für MediatorInnen nach den Richtlinien der BAFM gehen über den hier gemachten Vorschlag noch hinaus.
9. Am Ende jeder Mediation steht eine Vereinbarung, die nach dem häufig geäußerten Wunsch der Parteien rechtsverbindlich sein soll. Hier besteht Konsens über die zwingende Notwendigkeit einer notariellen Vereinbarung, soweit Verträge formbedürftig sind oder vollstreckbar sein sollen.
In der Praxis hat sich bei nicht-anwaltlichen MediatorInnen die Unterscheidung von Memorandum (Absichtserklärung) und letztlich Vereinbarung eingebürgert. Diese auf formaljuristische Aspekte gründende Unterscheidung ist letztlich künstlich und den Medianden und Mediatoren in der Ausbildung schwer zu vermitteln. Gleichzeitig besteht Konsens, dass die Formulierung der Vereinbarung bei nicht-anwaltlicher Mediation die Angelegenheit der Mediationsparteien und nicht die der Mediatoren ist. Eine Übernahme quasi-juristischer Formulierungen oder Anlehnungen an solche in der ungeklärten Hoffnung, der Form zu genügen, wird ausdrücklich abgelehnt. Insofern sind die Parteien auf die Begrenzungen in der Rechtsverbindlichkeit selbst formulierter Vereinbarungen, aber auch auf die im autonomen Interessensausgleich liegenden Chancen bei der Mediation durch nicht-anwaltliche MediatorInnen hinzuweisen.