Tag der Psychologie 2024
Spannende Impulse und fachlicher Dialog rund um das Thema KI-Einsatz in psychologischen Tätigkeitsfeldern
In diesem Jahr drehte sich an unserem Tag der Psychologie, den wir in Kooperation mit der Landesgruppe Hessen virtuell ausgerichtet haben, alles rund um die Frage des sinnvollen, notwendigen, unumgänglichen Einsatzes von Künstlicher Intelligenz in unterschiedlichsten psychologischen Tätigkeitsfeldern.
Bereits in der Eröffnungs-Keynote von Prof. Dr. Markus Langer gab es so einige aha-Momente für die Teilnehmenden. Er gab Einblicke zur Grundlagenforschung in der (Zusammen-) Arbeit mit KI.
Zunächst zum Thema Vertrauen. So erfuhren, wir dass das Vertrauen in eine KI in Relation zu anderen Beziehungen gesetzt wird. Ein Zitat einer Studienteilnehmerin "Ich vertraue der KI weniger als meiner Mutter, aber mehr als meinem Hausarzt" löste einige irritierte Reaktionen aus.
Aber auch die Arbeitsorganisation und das Thema Kontrolle und Autonomie spielen wohl eine große Rolle in der Zusammenarbeit mit KI. Durch kollegialen Austausch zu aktuellen Tools und Programmen (wie ChatGPT und Google Notebook LM) wurde deutlich, dass in der Arbeitsorganisation viele neue Möglichkeiten entstehen, wenn Menschen mit KI zusammenarbeiten. Allerdings haben die Möglichkeiten Grenzen: Wenn ich keine Wahl habe, mir die KI also sagt, was ich tun soll, fühlt sich meine Arbeit als weniger bedeutungsvoll und auch weniger motivierend an. Ähnlich verhält es sich mit dem Thema Kontrolle und Autonomie: Wenn der Mensch nur etwas ausführt, was eine KI festgelegt hat, wird die Zusammenarbeit nicht erfolgreich verlaufen / nicht lange andauern. Der Mensch geht sogar so weit, dass er ein System manipuliert, um seine Autonomie zurückzuerhalten.
Das heißt zusammenfassend: Die Zusammenarbeit mit KI ist möglich, zielführend und nachhaltig, wenn der Mensch weiterhin Mensch sein kann und darf.
Ein durchaus beruhigendes Fazit, wie ich finde! Jetzt braucht es lediglich die entsprechende Verknüpfung in der KI-Verordnung der Europäischen Union.
Unser Vorstandskollege Dr. Roscoe Araujo gab spannende Einblicke, wie der Weltkonzern covestro bereits jetzt mit KI (sowohl in der Produktion, als auch in kleinen Teilprojektem im Rahmen der Personalarbeit) arbeitet und damit die gesamte Organisation auf das nächste Level bringt!
Durch den KI-Einsatz in einer Produktionsanlage konnte die Nachhaltigkeit gesteigert werden, weil durch den KI-Einsatz weitere 3-4% mehr Outcome bei gleichbleibendem Materialeinsatz erbracht werden konnte und gleichzeitig der Ausschuss minimiert wurde.
Die Vision im Rahmen der KI-orientierten Personalarbeit beinhaltet bspw. Mitarbeitende durchgehend und ohne Wartezeit zu unterschiedlichen Fragestellungen, wie bspw. zu Arbeitsrecht oder Sonderurlaub beraten zu können oder Führungskräfte durch proaktive Unterstützung in ihrer Führungsrolle zu begleiten, bspw. durch individuelle Führungstipps nach spezifischen Ergebnissen der Mitarbeiterumfrage.
Dr. Julian Decius machte in seinem Impulsvortrag zum Thema arbeitsbezogenes Lernen deutlich, dass es in Zukunft vor allem darauf ankommen wird die Zielsetzung des Lernens zu definieren und Kompetenzen festzulegen, die essenziell sind, um bestimmte Tätigkeiten auszuüben. So wurde bspw. in Frage gestellt, ob es künftig noch klassische Abschlussarbeiten geben wird oder ob es andere Kompetenzen sind, die wir künftig - über welche Wege auch immer - lehren und messen/abfragen werden.
Dr. Lars E. Kroll (Fachbereichsleiter Data Science und IT am Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung) machte uns allen bewusst, wie bspw. die aktuelle Notfallversorgung in Deutschland mit Hilfe von KI optimiert wurde und bereits erfolgreich funktioniert (zB. mit Hilfe von SmED).
Paul Jäckel und Gil Keller gaben uns spannende Einblicke, wie das Thema der KI bereits in der Rechtspsychologie Einzug gehalten hat. Sie gaben aktuelle Einblicke in ihre Forschungsarbeit Aussagepsychologische Begutachtung in Zeiten von ChatGPT
Ein spannedes Thema, das uns in allen Themenbereichen begegnet ist: Die KI schafft es nett und irgendwie "einfühlsam" zu sein. Sie ist schließlich darauf programmiert das 1x1 der Nettikette anzuwenden. So führt eine Rückfrage an die Personal-KI zum Sonderurlaub für eine Hochzeit zunächst zu wertschätzenden Glückwünschen zur Verlobung.
Momente, für die wir uns Menschen in manch angespannten, gestressten Situationen keine Zeit nehmen oder durch fehlende Empathiefähigkeit keine Relevanz darin sehen. So wird eine KI auch schnell mal empathischer, wertschätzender, freundlicher wahrgenommen, als manch menschliche/r Kollegin/Kollege. Und das nur, weil die KI darauf ausgerichtet ist, sich an soziale Normen und wertschätzende Kommunikation zu halten. Es bleibt spannend, wohin dieses Thema uns noch führen wird.
Eins ist uns im Rahmen des Tages der Psychologie klar geworden: KI wird nicht nur das (persönliche) Arbeiten, die Lehre, das Lernen, die Bildung, die Notfallversorgung ändern, sondern uns vor allem dazu einladen Neues auszuprobieren, zu lernen und sich immer wieder auf das Wesentliche und Wichtige zu fokussieren. Ganz im Sinne "auf den richtigen Prompt kommt es an"!
Wir bedanken uns recht herzlichen bei allen Referenten und auch bei all den motivierten Teilnehmenden, die ihren Samstag im virtuellen Hörsaal und Workshopraum verbracht haben!
Wir freuen uns über Feedback zu Inhalten, Dauer und Ablauf des Tages oder sonstigen Anregungen (gerne einfach per E-Mail an unsere Vorstandsvorsitzende p.jagow@bdp-nrw.de ).
Euer Landesgruppen Vorstand NRW
Weiterführende Literatur und Quellen:
An Integrative Model of Organizational Trust (Mayer, Davis, Schoorman,1995) https://www.jstor.org/stable/258792?seq=5
Wie vertrauenswürdig ist KI? (Schlicker, Langer & Hirsch, 2024) https://link.springer.com/article/10.1007/s12312-024-01338-5
Disparate Interactions: An Algorithm-in-the-Loop Analysis of Fairness in Risk Assessments (Green & Chen, 2019) https://www.benzevgreen.com/wp-content/uploads/2019/02/19-fat.pdf
What Do I Do in a World of Artificial Intelligence? Investigating the Impact of Substitutive Decision-Making AI Systems on Employees’ Professional Role Identity (Strich, Mayer & Fiedler, 2021) https://aisel.aisnet.org/jais/vol22/iss2/9/