Liebe Interessierte an der Schulpsychologie, liebe Kolleg*innen,
zuallererst danke ich der Sektion Schulpsychologie im BDP mit ihrem Organisationsteam für diesen Kongress. Er ist eine feste Größe im Kalender der Schulpsychologie-Familie, und ich wünsche allen zahlreiche Impulse nach innen und nach außen, im Sinne des Berufsstandes, aber auch und vor allem im Sinne derer, denen Sie beratend zur Seite stehen.
Im Text zur Kongressankündigung des 25. BUKO heißt es: „Schulpsychologie steht für Lernen und Lehren unter bestmöglichen – psychisch – gesunden Bedingungen.“
Das steht da so selbstverständlich: Lernen und Lehren unter bestmöglichen gesunden Bedingungen (psychisch gesunde Bedingungen inklusive). Gleichzeitig könnten wir es als selbstverständlich ansehen, wenn es nicht so unerträglich wäre, dass es zu viele und immer mehr Kinder und Jugendliche gibt, die nicht in den Genuss des Lernens unter bestmöglichen Bedingungen kommen. Stattdessen akzeptieren wir Leid, wir tolerieren in unserer Wissensgesellschaft die Nicht-Förderung und Nicht-Nutzung von Potenzial, wir riskieren Wohlstand und auch gesellschaftlichen Zusammenhalt. Als Gesellschaft verpassen wir Chancen, und wir verwehren sie jungen Menschen.
Das Kongressmotto „Psychisch gesund in die Zukunft“ als Ziel wird für zu viele Kinder und Jugendliche heute und auch in absehbarer Zeit unerreichbar sein. Eine Verbesserung der Versorgungszahlen von Schulpsycholog*innen, im August 2024 vorgelegt von der Sektion Schulpsychologie im BDP, ist erfreulich. Und es gibt Bundesländer, in denen deutliche Verbesserungen zu beobachten sind, aber die Unterschiede sind groß. Die Konsequenz: Ein/e Schulpsycholog*in in Deutschland ist in 2024 immer noch für durchschnittlich 5.218 Schüler*innen zuständig, und nicht mehr für 5.439, wie noch in 2022.
Wir lesen seit Jahren von den zunehmenden psychischen Problemen im Kindes- und Jugendalter. Mehr als 60 % der Lehrkräfte schätzen ihren allgemeinen Gesundheitszustand als negativ ein, ihre Arbeit macht viele Lehrkräfte krank. Die dargestellte Versorgungslage wird diesen Problemstellungen in keiner Weise gerecht.
Ich bin gespannt auf die Ideen und Initiativen, die im Wettbewerb „Schulpsychologie im Aufbruch“ vorgestellt werden. Aber den Kindern, den Jugendlichen und den Lehrkräften heute und morgen wünsche ich noch mehr als „Schulpsychologie im Aufbruch“ eine „Politik im Aufbruch“.
Wo ist die Politik, die mutig und entschlossen die Weichen stellt für gesundes Lernen zum Zwecke bester Potenzialentfaltung, Chancengleichheit und Persönlichkeitsentwicklung? Wo ist die Politik, die die Rahmenbedingungen setzt, dass die günstigen Gelegenheiten der Zukunftsgestaltung im Kindes- und Jugendalter genutzt werden? Welche Politik sorgt für gute Ausstattung an Schulen, sorgt für die nötige Zahl an Psychotherapeut*innen, auch und vor allem für Kinder und Jugendliche, … und auch für eine Versorgungslage in der Schulpsychologie, die nicht mehr auf dem Niveau eines Entwicklungslandes ist?
Wo ist die Politik, die, schlicht gesagt, die Umsetzung der Menschenrechte auch in der Bildung ermöglicht?
Und nach Jahrzehnten des Zuschauens bleibt die Frage: Was braucht es noch, damit eine Transformation, die diesen Namen verdient, auch und endlich in diesem Bereich in Angriff genommen wird?
Zu der Situation passt das große Interesse an diesem Kongress.
Viele Beiträge zu einem Kongress bedeuten, dass es vieles zu berichten, zu bewerten, zu diskutieren gibt. Es gibt immer mehr Methoden bzw. Lösungsansätze für eine, so scheint es, immer größere Vielfalt von Problemen, Schwierigkeiten, Fragestellungen. Es gibt auch jede Menge Engagement gerade vor dem Hintergrund der ungünstigen Rahmenbedingungen.
Ein großes Interesse am Kongress bedeutet aber auch ein großes Interesse am Austausch. Schulpsycholog*innen sind mit einem an vielen Stellen krankenden, von Verunsicherung gekennzeichneten System konfrontiert, mit ihm verbunden und von ihm beeinflusst. Schulpsycholog*innen wirken alleine und in Teams, sie beraten und begleiten eine heterogene Gruppe an Ratsuchenden mit einer großen Bandbreite an Themen, sie kommen längerfristig zum Einsatz oder auch in Krisen und als Feuerwehr. Schulpsychologische Expertise geht dabei weit über das Lernen und Lehren hinaus.
Natürlich gilt der Blick bei diesem Kongress vor allem Kindern, Jugendlichen und Lehrkräften, aber ich frage auch:
Wie geht es Ihnen, wie geht es Euch?
Neben der beruflichen und persönlichen Weiterentwicklung möge der 25. BUKO in den nächsten Tagen vieles für Sie und Euch parat haben: viele Möglichkeiten zum kollegialen Austausch, Gelegenheiten für die „Psychohygiene“, Motivationsspritzen, neue Tellerränder und Reflexion. Das Kongressprogramm ist in seiner Fülle umwerfend, die Tage werden anstrengend genug sein, aber ich wünsche Inspiration und Stärkung für zukünftige Aufgaben. Nutzen Sie die wunderbaren Gelegenheiten, die sich hier bieten werden.
Viel Spaß Ihnen und Euch und viel Erfolg für unser aller BUKO!
Mit herzlichen Grüßen
Thordis Bethlehem