Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz BkiSchG)

Insgesamt begrüßen wir den vorgelegten Regelungsvorschlag und sehen ihn als wichtigen Schritt in Richtung der Verbesserung des Kinderschutzes an. Rechte und Pflichten der am Kinderschutz beteiligten Instanzen sind abgewogen formuliert und gesetzessystematisch gut eingeordnet. Die bisherige Diskussion des Themas hat gezeigt, dass im Rahmen der Komplexität der gesetzlichen Regelungen in Verbindung mit der Aufgabenwahrnehmung der beteiligten Akteure und Instanzen vielfach Missverständnisse bestehen. Der Gesetzes-entwurf enthält diesbezüglich hilfreiche Klarstellungen und Neuregelungen.
Unsere nachfolgenden Anregungen richten sich daher nicht wesentlich auf den Gesetzes-text, den wir als sehr gelungenes Werk betrachten, sondern auf klärende Ergänzungen in der Begründung.

Zu § 2 in Verbindung mit § 3 - Anspruch auf Beratung zur Entwicklung

Im Gesetzestext zu § 2  wird der Anspruch auf psychologische Beratung zur Entwicklung des Kindes allgemein, pränatal und bei festgestelltem Bedarf erwähnt. In der Begründung finden diese Aspekte noch keinen Niederschlag und auch in § 3.1 und 3.3, in dem diese Aufgabe formuliert und im Bereich frühe Hilfen eingeordnet ist, wird die Notwendigkeit fachlicher psychologischer Beratung zur kindlichen Entwicklung und deren Förderung z. B. bei besonders belasteten Eltern nicht ausreichend deutlich. Die in der Begründung zu § 2 und    § 3 aufgeführten Einrichtungen und Dienste der frühen Hilfen verfügen nach unserer Kenntnis häufig nicht über entsprechende Fachkräfte für eine entwicklungspsychologische Beratung.

Die Hinzuziehung externer Fachkräfte bei Bedarf aus den freien Berufen erscheint aus Kostengesichtspunkten eine angemessene Alternative zum Aufbau einer flächendeckenden kontinuierlichen Bereithaltung von Angeboten in Institutionen.

Zur Sicherstellung einer qualitativ adäquaten Unterstützung sowohl der Eltern als auch der adressierten Dienste, Träger und insbesondere der Hebammen (entsprechend des Dormagener Modells), möchten wir folgende Ergänzung der fachlichen Unterstützung vorschlagen:

Begründung zu § 2 nach dem letzten Satz:

„Soweit im Rahmen der Beratung erforderlich, ziehen die Träger der Jugendhilfe und der frühen Hilfen externe entwicklungspsychologische und klinisch psychologische Kompetenzen hinzu.“

Nach unserer Beobachtung fehlen in vielen der bisherigen Strukturen der „frühen Hilfen“ regelhaft die notwendigen psychologischen Fachkompetenzen. Dieser Problematik droht durch im Kontext der Aufzählung in § 3.3. eine weitere Verschärfung.

Die hier aufgeführten Berufsgruppen „Heilberufe und Gesundheitsfachberufe“ sind inter-pretationsbedürftig und schließen daher nicht automatisch die Berufsgruppe der Psychologen mit ein. Wir möchten deshalb folgende Ergänzung anregen:

Begründung S. 7 zu § 3 Abs. 3 nach Satz 1:

„Mit den Begriffen Heilberufe und Gesundheitsfachberufe sind insbesondere die unter § 4.1. genannten Berufe gemeint.“

Zu § 4 - Befugnisnorm, Kinderschutzfachkraft

Zu § 4. Abs. 1
Vor dem Hintergrund, dass psychische Störungen oder Belastungen regelhaft im Bereich der Psychotherapie bearbeitet werden und diese auch im Kontext der Abwendung von Kindeswohlgefährdung eine gewichtige Rolle spielen, schlagen wir folgende Einfügung nach Ärzte und Ärztinnen vor:

„Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen“

Die im Rahmen des § 4 formulierte Befugnisnorm für Berufsgeheimnisträger sehen wir als eine ausgewogene Regelung mit ausreichender Berücksichtigung des hohen Wertes des Geheimnisschutzes einerseits und der ethischen und fachlichen Pflichten zur Abwendung von Kindeswohlgefährdung bei Kenntnisnahme andererseits an.
Die Einschränkung der Befugnis auf Berufsgeheimnisträger mit unmittelbarem Kontakt stellt eine angemessene Regelung dar, die dem hohen Wert des Berufsgeheimnisschutzes und der informierten Zustimmung als Vertrauensbasis für Interventionen Rechnung trägt und sachlich angemessen ist zur in der Regel eher schwachen prognostischen Validität eines Verdachtes ohne Kenntnis der davon direkt Betroffenen.

Im Hinblick auf die Einführung des Begriffs der Kinderschutzfachkraft und des Spektrums von Bildungsanbietern regen wir an, klarzustellen, dass dieser Begriff nicht auf eine spezifische Fortbildung und Zertifizierung durch einen Anbieter beschränkt ist, sondern bezogen auf den Einzelfall ein besonderes Kompetenzniveau symbolisiert, das im Rahmen der Pool-Bildung jeweils fachlich geprüft sein muss. Die fachlichen Anforderungen an eine solche Fachkraft sind im Hinblick auf die Berücksichtigung der Gefährdung des Kindeswohls mit der Einführung des neuen Kriteriums „gewichtige Anhaltspunkte“ deutlich gestiegen und erfordern eine hohe psychologische Kompetenz in einigen Bereichen, die je nach Grundberuf durch Weiterbildung nur schwer oder nicht erreicht werden kann.

Daher regen wir an, bei der Evaluation der Konzepte von „frühen Hilfen“ auch die Effektivität des Wirkens der Kinderschutzfachkraft einzubeziehen und ggf. eine zeitliche Befristung oder Überprüfung dieses Konzeptes zu erwägen und zu formulieren.

Zu § 5 - Weitergabe von Daten

Die Regelungen zur Beschränkung der Weitergabe von Informationen an das Jugendamt im Falle einer amtlichen Nachfrage und dem Fehlen eines gewichtigen Anhaltspunktes auf Seiten des Geheimnisträgers ist angemessen, ebenso wie die Beschränkung der Weitergabe von Daten an die vorgesehene Kinderschutzfachkraft auf eine pseudonymisierte Form und werden von uns begrüßt.

Zu § 8 Abs. 3 - Beratung von Kindern ohne Einverständnis der Eltern

Sehr begrüßenswert ist die Änderung in § 8 (3), die deutlich festhält, dass eine Beratung von Kindern und Jugendlichen (in Notlagen) auch ohne Einverständnis der Eltern möglich ist.

Zu § 79a Abs. 2 in Verbindung mit § 17 Abs. 3

In der Begründung zu § 79 Abs. 2 wird die Evaluation der Verfahrensabläufe hervorgehoben. Im Hinblick auf die Einschätzung der in § 17 Abs. 3 formulierten „persönlichen Eignung“ in Verbindung mit einer Gefährdungseinschätzung schlagen wir vor, auch die Evaluation der angewendeten psychologischen Konzepte und Hypothesen zur Bewertung der persönlichen Eignung/Gefährdung der Evaluation und ggf. der differenzierten Beforschung zu unterziehen. Dies würde dazu beitragen, schon länger bestehende fachliche Unsicherheiten bei den beteiligten Fachkräften und damit verbundene Risiken für die Institutionen zu verringern.

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