Stellungnahme zum Opferrechtsreformgesetz

Stellungnahme des BDP zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren (2. Opferrechtsreformgesetz); § 406h Ziffer 5 StPO: psychosoziale Prozessbegleitung

Der Referentenentwurf sieht vor, § 406h Ziffer 5 StPO wie folgt zu formulieren:
Verletzte sind möglichst frühzeitig, schriftlich und in einer für sie verständlichen Sprache auf ihre aus den §§ 406d bis 406g folgenden Befugnisse und insbesondere auch darauf hinzuweisen, dass sie (...) 5. Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten können, etwa in Form einer Beratung oder einer psychosozialen Prozessbegleitung.

Der BDP hegt schwerwiegende Bedenken gegen diese Regelung, wie wir in der mündlichen Anhörung in Ihrem Hause am 24.1.08 dargestellt haben. Wir schlagen daher vor, diesen Passus ersatzlos zu streichen.

Bei Zeugen bzw. Opfern, bei denen die Tat (noch) nicht festgestellt worden ist, kann die psychosoziale Prozessbegleitung zu einer Manipulation der Aussagen und damit zu Schwierigkeiten bei der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen führen. Es besteht die Gefahr, dass Zeugenaussagen durch ein intensive Prozessbegleitung derart nachhaltig beeinflusst werden, dass sie nicht mehr verwertbar, sondern als invalide eingeschätzt werden müssen. Denn eine intensive Prozessbegleitung trägt dazu bei, dass die Schilderung des Erlebten durch das Opfer bzw. den Zeugen in der Begleitung quasi eingeübt wird. Dies hätte insgesamt zur Folge, dass möglicherweise vorgenommene Straftaten durch unzulässige Einflussnahmen auf Zeugen nicht mehr entsprechend den derzeit geltenden juristischen Normen konsequent verfolgt werden könnten.

Eine psychosoziale Prozessbegleitung zielt darauf ab, parteilich zu agieren. Bis zur Feststellung einer Täterschaft bleibt unklar, ob eine solche parteiische Begleitung tatsächlich ein Opfer unterstützt oder einen Simulanten. Das Bemühen um eine Zuwendung und Unterstützung der Opfer bzw. Zeugen würde dadurch die Anstrengungen der Strafverfolgung konterkarieren. Vielmehr fordert der BDP, dass Opfer bzw. Zeugen eine bessere Unterstützung durch Opfervereine oder ggf. durch psychotherapeutische Maßnahmen erfahren. Dort sollten die Erfahrungen und Erlebnisse des Opfers thematisiert werden, nicht das Prozessgeschehen (Coping des erlebten Traumas).

Wichtig ist dabei, dass das derzeitige System der bereits existierenden Prozessbegleitung mit den vorhandenen Aktivitäten einer Vielzahl von Vereinen erhalten bleibt, statt durch die angezielte Verbesserung der Betreuung von Zeugen diese erreichte Vielfalt auszuschließen. Eine professionelle Prozessbegleitung von Zeugen kann auch ohne eine bundesweit anerkannte Fortbildung für alle Prozessbegleiter als zwingende Voraussetzung effektiv erbracht werden.

Belastend für Zeugen bzw. Opfer wirkt zudem die zum Teil unvertretbar lange Wartezeit bis Prozessbeginn; eine Beschleunigung der Verfahren würde auch zu einer verminderten Belastung führen.

Vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen bei einer Vielzahl von Prozessen ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff der Zeugenbegleitung sinnvoller erscheint als die Postulierung, dass Zeugen immer Opfer in einem Strafverfahren sein müssen (Problem der falsch aussagenden Zeugen). Die Problematik bezieht sich auf mittelbar betroffene Zeugen, die teilweise ebenfalls eine Prozessbegleitung benötigen und in Anspruch nehmen könnten.

Insgesamt ist festzustellen, dass die bisherigen Instrumente zur Wahrnehmung der Interessen von Zeugen in einem Strafverfahren nach Auffassung des BDP ausreichend sind, um den Zeugen in unterschiedlichen Verfahrensphasen eine umfassende Unterstützung zu gewährleisten.

Vorgenanntes soll keinesfalls einen stärkeren "Täterschutz" postulieren. Vielmehr soll damit die Unabhängigkeit der Justiz im Umgang mit Tätern und Zeugen im Sinne der freiheitlich demokratischen Rechtsordnung bewahrt bleiben. Die Argumentation "Opferschutz vor Täterschutz" trägt aus Sicht des BDP nicht dazu bei, die berechtigten Interessen von Zeugen wirksam zu berücksichtigen.

Veröffentlicht am:
Kategorien:
Stellungnahme
Logo Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.

Wir unterstützen alle Psychologinnen und Psychologen in ihrer Berufsausübung und bei der Festigung ihrer professionellen Identität. Dies erreichen wir unter anderem durch Orientierung beim Aufbau der beruflichen Existenz sowie durch die kontinuierliche Bereitstellung aktueller Informationen aus Wissenschaft und Praxis für den Berufsalltag.

Wir erschließen und sichern Berufsfelder und sorgen dafür, dass Erkenntnisse der Psychologie kompetent und verantwortungsvoll umgesetzt werden. Darüber hinaus stärken wir das Ansehen aller Psychologinnen und Psychologen in der Öffentlichkeit und vertreten eigene berufspolitische Positionen in der Gesellschaft.

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen