Berufsausübung in der Corona-Krise und Haftungsrisiken
Jan Frederichs (Justiziar des BDP)
COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG): Mit dieser gesetzlichen Verordnung muss trotz wirtschaftlicher Krise kein Insolvenzantrag gestellt werden, es sei denn die Coronakrise ist nicht die Ursache für die wirtschaftliche Not. Das Gesetz gilt vorerst bis zum 30. September 2020.
Bankrottdelikte sind aber nicht ausgenommen, auch die Strafbarkeit der Nichtabführung von Sozialversicherungsabgaben ist nicht entfallen. Neben der Beantragung von Kurzarbeitergeld muss also auch dafür die eilige Beschaffung von Sofortkrediten versucht werden, sonst droht schlimmstenfalls der Vorwurf der Untreue. Auch der sog. Eingehungsbetrug ist nicht entfallen: Wer sehenden Auges Verträge eingeht, die er oder sie wohl nicht bezahlen bzw. erfüllen wird können, kann sich strafbar machen. Ferner nicht entfallen ist die Strafbarkeit einer Gläubigerbevorzugung, der Schuldnerbegünstigung und die Verletzung der Buchführungspflicht.
Insbesondere als Arbeitgeber*in trägt man Verantwortung für eine unterbleibende Infektion infolge von Arbeitsanweisungen. Das Haftungsrisiko steht zwar freilich unter dem Vorbehalt, dass die Kausalität zu bejahen ist. Aber wenn Infektionsschutzvorgaben nicht eingehalten werden, drohen auch Bußgelder oder sogar Strafe, nicht nur wegen (fahrlässiger) Körperverletzung. Es kann auch ein dabei erzielter Gewinn abgeschöpft werden. Infektionsschutzvorgaben können die Landesbehörden gemäß §§ 28 Ff IFSG erlassen.
Nicht nur das Infektionsschutzgesetz, auch das Arbeitsschutzgesetz hält Vorschriften bereit, nach denen Bußgeld oder gar Strafe droht, wenn Anordnungen oder eine Rechtsverordnung nicht beachtet wird. Dies kann sich auch ergeben, wenn entgegen § 3 Absatz 3 Arbeitsstättenverordnung eine Gefährdungsbeurteilung nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig dokumentiert wird. Diese Dokumentationspflicht gilt aber nicht für Solo-Betriebe. Bei Missachtung einer Quarantäne-Anordnung droht im Extremfall sogar die Strafbarkeit einer fahrlässigen Tötung oder einer Körperverletzung mit Todesfolge.
Generell, also unabhängig von vorgenannten Bedingungen aus der Fürsorgepflicht für Beschäftigte, kann jede Ansteckung eine fahrlässige Körperverletzung oder gar bei offensichtlichen Risikopersonen sogar eine fahrlässige Tötung sein (wenn man selbst infiziert ist und dies weiß).
Das klingt alles sehr bedrohlich, setzt aber wie gesagt voraus, dass man mindestens fahrlässig handelt. Man muss also nun nicht gleich dauerhaft die Luft anhalten und sich verbarrikadieren. Sorgfalt ist stets geboten, die angeführten Hinweise betonen dies.
Es sei aber auch angefügt, dass Psychologinnen und Psychologen nicht nur heilberuflich, sondern auch in der Daseinsvorsorge (Beratungen), in der Rechtspflege (Rechtspsychologie) , für notleidende Wirtschaftsunternehmen (Wirtschaftspsychologie) und in vielen weiteren Bereichen einen wichtigen Beitrag leisten, der in der Corona-Krise noch an Bedeutung gewinnen kann. Auch wenn das für eine ganze Reihe weiterer Dienstleistungen gilt, ist nach hier vertretener Auffassung ein pauschales Unterbleiben der Tätigkeit nur bei expliziter behördlicher oder gesetzlicher Vorgabe angezeigt. Ansonsten sind es (zugegebenermaßen schwierige) Einzelfall-Abwägungen, die nicht schon stets „mit einem Bein“ in der Fahrlässigkeit stehen.