Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten (Patientenrechtegesetz)
1) Der VPP im BDP hält den derzeit vorliegenden Entwurf eines Patientenrechtegesetzes grundsätzlich für zielführend, jedoch verbesserbar.
a) Zu begrüßen ist die geplante Regelung, für Anträge an die Krankenkasse eine Bescheidungsfrist von 3 bzw. 5 Wochen vorzusehen (§ 13 Abs. 3a SGB V). Das betrifft auch Patienten, die sich um eine bald beginnende ambulante Psychotherapie bemühen und sich hierzu wegen fehlender Behandlungsplätze bei Vertragsbehandlern um eine ausnahmsweise Kostenerstattung gem. § 13 Abs.3 SGB V bemühen müssen, um eine zeitnah beginnende Psychotherapie zu erhalten. Hier wäre hilfreich, die Krankenkassen zu verpflichten, vom ersten Kontakt mit dem hilfesuchenden Patienten an, mit dem Patienten in einen offenen Dialog zu treten und dabei auch frühzeitig über die Möglichkeiten der ausnahmsweisen Kostenerstattung zu informieren.
b) Zu begrüßen ist weiterhin die geplante Regelung eines Akteneinsichtsrechts in § 630g, insbesondere die ausdrückliche Bezugnahme auf die Dokumentation. Allerdings vermag der Hinweis in der Gesetzesbegründung, der Behandelnde könne sich durch Unterlassen eigener Aufzeichnung über persönliche Eindrücke dem Akteneinsichtsrecht entziehen, nicht zu überzeugen. Denn die Beschränkung auf die Dokumentation lässt in sachgerechter Weise Raum für die Behandelnden, in ihrer Berufsausübung unabhängig von der bzw. zusätzlich zu der erforderlichen vollständigen Dokumentation, (höchst)persönliche eigene Aufzeichnungen zu ausschließlich eigenen Zwecken zu fertigen, ohne befürchten zu müssen, diese unterlägen dem Zugriff der Patienten. Denn dieses persönliche Recht muss Behandelnden gewährt bleiben wie jedem anderen Berufsausübenden. Wünschenswert wäre, wenn zumindest in der Gesetzbegründung ein Vorrang dieser Regelung vor ggf. bzw. vermeintlich weiterreichenden datenschutzrechtlichen Informationsansprüchen klargestellt wird.
2) Die Bezeichnung "Patientenrechtegesetz" lässt jedoch mehr erwarten, als die derzeit beabsichtigte Zusammenfassung der Rechtslage zum Arzthaftungsrecht und es erscheint deshalb angemessen, aus Anlass dieses Gesetzesvorhabens weitere sinnvolle gesetzliche Regelungen im Interesse der Patienten anzuregen:
a) Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen haben nach wie vor - sofern sie es überhaupt wissen - leider nicht unberechtigte Angst vor Benachteiligung bei zukünftigen Versicherungsabschlüssen, wenn sie frühere, ggf. lang zurückliegende psychotherapeutische Behandlungen mitteilen müssen. Der Bundesgesetzgeber hat es bei der VVG-Novelle 2007 leider versäumt, für private Versicherungsabschlüsse eine gesetzliche Frist festzulegen, mit der alte frühere psychische Erkrankungen nicht mehr erfragt werden dürfen. Die damalige Ablehnung dieser BDP-Forderung wurde mit der Vertragsfreiheit begründet. Andere Differenzierungsverbote sind aber in das VVG eingeflossen und auch eine solche hier geforderte Regelung scheint rechtlich möglich - wenn man nur will.
Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen leiden erheblich, bis sie sich zu einer psychotherapeutischen Behandlung entschließen und dann einen Therapieplatz bekommen. Die Angst vor Nachteilen bei späteren Versicherungsabschlüssen überfordert ihre Ressourcen in dieser Phase. Sie treibt Blüten, wie der Irrglaube, wenn man die Psychotherapie trotz Versicherungsanspruchs selbst bezahlt, ließen sich Versicherungsnachteile vermeiden.
b) Gleiches gilt bei anstehenden Verbeamtungen. Auch hier leiden Patientinnen und Patienten in einer schwierigen Phase zusätzlich unter der Angst vor zukünftigen Nachteilen in ihrer beruflichen Entwicklung. Dass faktisch die Angst häufig unbegründet ist, ändert daran wenig. Der gesetzgeberische Versuch einer differenzierenden Darstellung wäre hier wünschenswert, zumindest mit "Vorbildfunktion" auf Bundesebene.
c) Nach wie vor bildet die sog. Bedarfsplanung gem. SGB V mit Zugrundelegung von Verhältniszahlen, die sich sachfremd auf frühere Mangelzustände beziehen, nicht den tatsächlichen Bedarf an ambulanter Psychotherapie für gesetzlich versicherte Patienten ab. Eine gesetzliche Rahmengebung, insbesondere morbiditätsorientiert und durch die Bezugnahme der Verhältniszahlen auf aktuelle epidemiologische Daten, ist trotz oder wegen der derzeit laufenden Planungen im G-BA sinnvoll. Hierzu sei auf die aktuelle Petition unseres Mitglieds Jan Kassel verwiesen, der sich bereits mehr als 33.000 Personen angeschlossen haben epetitionen.bundestag.de/index.php
d) Private Krankenversicherungen können vom psychotherapeutischen Mindeststandard zu Lasten ihrer Versicherten abweichen, die bisherige Rechtsprechung zu dieser Thematik ist nicht sachgerecht. Das ist den privat Krankenversicherten nicht zumutbar. Hier muss der Gesetzgeber angemessene Rahmenbedingungen schaffen.
e) Gerade bei Psychotherapie-Patienten ist für die Patient-Psychotherapeut-Beziehung das Vertrauen der Patienten auf die Schweigepflicht ihrer Psychotherapeuten von erheblicher Bedeutung. Dass insbesondere bei länger währender Arbeitsunfähigkeit, aber auch im Zusammenhang von Schädigungen durch Dritte und bei vergangenen Straftaten oder als kleingedruckte Begleitbedingung für die Teilnahme an ambulanten Sonderverträgen die Schweigepflicht durchaus Lücken aufweist, belastet nicht nur die Patienten, sondern auch die Psychotherapeuten, wenn sie in das Dilemma geraten, von Patienten für die Behandlung wichtige Einzelheiten zu erfahren, zu denen dann aber keine Schweigepflicht, ggf. sogar eine Offenbarungspflicht besteht. Hier muss - ggf. speziell für Psychotherapeuten - die Patientenbeziehung gesetzlich durch eine geringere Eingriffstiefe in die Vertraulichkeit geschützt werden.