PM: Wie sollen zukünftige Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ausgebildet werden? Kontroverse Standpunkte zum Psychotherapeutengesetz
Ein Kurzbericht und Kommentare zur Anhörung im Bundestag am 15. Mai 2019.
Zur Anhörung waren Vertreterinnen und Vertreter aus 26 Verbänden eingeladen. Darunter auch der BDP. Weitere sechs Personen kamen als Einzelsachverständige hinzu. Über den Modus der Auswahl ist nichts bekannt. Zwei Stunden waren für die Anhörung vorgesehen, wobei den im Bundestag vertretenen Parteien jeweils minutengenaue Zeitkontingente für Fragen zur Verfügung standen. Abgeordnete der CDU/CSU konnte 42 min Fragen stellen, SPD 26 min, AfD 15 min, FDP 14 min, Die Linke 12 min und Bündnis 90/Die Grünen 11 min. Die Einhaltung der Zeiten wurde kontrolliert.
Durch dieses strenge Reglement gab es für die Expertinnen und Experten leider keine Möglichkeit eigene Themen einzubringen. Nur die Beantwortung der persönlich adressierten Fragen war zulässig. Dadurch waren die Antwortmöglichkeiten der Expertinnen und Experten sehr ungleich verteilt. Am häufigsten durfte die Bundespsychotherapeutenkammer den vorliegenden Gesetzentwurf verteidigen. Einige Verbandsvertreterinnen und Vertreter wurden überhaupt nicht angesprochen und waren zum Schweigen verdammt. Dem BDP wurde bedauerlicherweise nur eine Frage gestellt, die sich auf die Vergütung der zukünftigen Psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bezog.
Einige Stichworte zu den Antworten seien ohne Anspruch auf Vollständigkeit wiedergegeben:
Die Mehrzahl derjenigen, die zu Wort kamen, setzte sich für eine angemessene Bezahlung der zukünftigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in der Weiterbildungsphase ein. Ansonsten gab es keine übergreifenden Konsenspunkte.
Die Bundespsychotherapeutenkammer, vertreten durch Dietrich Munz, äußerte sich „zufrieden“ mit dem Gesetzentwurf. Es bestehe noch Nachbesserungsbedarf in „Kleinigkeiten“. Er nannte die angedachte Berufsbezeichnung „sachgerecht“. Es sieht eine „Hierarchie“ zu anderen inhaltsähnlichen Berufsabschlüssen, beispielsweise zur Klinischen Psychologie. Des Weiteren sprach er sich für eine Ausweitung des Arbeitsfelds der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie eine Befugniserweiterung zum Ausstellen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus. Eine Reglementierung des Zugangs zur psychotherapeutischen Weiterbildung soll schon im Hochschulstudium erfolgen.
Gleich mehrere Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Psychologie nahmen teil. Cornelia Exner als Einzelexpertin bezeichnete den Entwurf als sehr positiv. Sie begrüßte, dass zukünftig alle Absolventinnen und Absolventen an einer Universität studiert haben sollen und den Einbezug weiterer psychotherapeutischer Methoden in die Ausbildung. Silvia Schneider, ebenfalls als Einzelexpertin, setzte sich für einen polyvalenten Bachelor in Psychologie ein. Winfried Rief, der von der DGPs zusätzlich als Verbandsvertreter entsandt worden war, warnte vor einer Öffnung für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften.
Michael Borg-Laufs vertrat den Fachbereichstag Soziale Arbeit und damit die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften. Er erläutert, dass bisher 80% der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen und -therapeuten an Fachhochschulen ausgebildet worden seien. Für das angewandte Arbeitsfeld Psychotherapie sieht er deren Ausbildung als besser geeignet an. Peter Thuy, Verband der Privaten Hochschulen, warnt vor einer Verknappung in diesem Bereich und wies auf Widersprüche zur Bologna-Reform hin, wenn ausschließlich ein Universitätsstudiengang Voraussetzung für die Weiterbildung sein soll. Helene Timmermann, VAKJP, äußerte sich im gleichen Sinne.
Die Bundesärztekammer, vertreten durch Heidrun Gitter, bemängelte die geplante Verkürzung der Berufsbezeichnung auf „Psychotherapeutin/Psychotherapeut“, die fehlende Approbationsordnung und die fehlende Praxisphase vor der Approbation. Auch Sabine Herpertz, DGPPN, setzte sich für ein praktisches Jahr vor der Approbation ein. Steffen Fliegel schloss sich als Einzelexperte dieser Forderung an. Ein zusätzliches Praxissemester analog dem praktischen Jahr in der Medizin sei unabdingbar für eine vollwertige Approbation.
Die Deutsche Psychotherapeutenvereinigung (DPtV), Barbara Lubisch, vertrat keinen eindeutigen Standpunkt. Einerseits solle vor der Approbation ein Praxissemester absolviert werden, aber man sei auch offen für eine andere Lösung.
Mehrere Vertreterinnen und Vertreter von Psychotherapieverbänden kritisierten, dass an den Universitäten keine Personen mit Fachkunde vorhanden seien, um andere als die Richtlinienverfahren angemessen vermitteln zu können. Günter Ruggaber, DGVT, setzte sich ebenso für größere Verfahrensvielfalt mit Strukturqualität in der Psychotherapeutenausbildung ein.
Katharina van Bronswijk, forderte als PiA-Vertreterin die Berücksichtigung der jetzt in Ausbildung Befindlichen angesichts der hohen, privat zu tragenden Kosten, kritisierte die zu kurze Übergangszeit für die jetzt in der Ausbildung Befindlichen und forderte die Berücksichtigung von Härtefällen. Auch Björn Enno Hermans, DGSF, kritisierte ein Nebeneinander von nicht oder schlecht bezahlten zukünftigen Psychotherapeutinnen und -therapeuten nach der bisherigen Regelung und finanziell deutlich besser gestellten nach der neuen Regelung.
Katharina Janzen als Studierendenvertreterin setzte sich für einen polyvalenten Bachelor-Studiengang in Psychologie als Basis der psychotherapeutischen Ausbildung ein. Sie sprach die lange Weiterbildungsphase nach Studienende an und bezeichnete die angedachten Übergangsregelungen nach Inkrafttreten des Gesetzes ebenfalls als zu kurz.
Zusammenfassend sei festgehalten, dass zu keinem Zeitpunkt der Anhörung die Chance zum Austausch bestand. Die Fragen der Abgeordneten waren in der Regel so formuliert und adressiert, dass die Standpunkte der jeweiligen Partei bestätigt wurden. Damit wurde eine Chance vertan, den Gesetzentwurf im kritischen Dialog zu verbessern.
Da die erste Lesung des Entwurfs zur Novellierung des Psychotherapeutengesetzes schon am 09. Mai 2019 stattgefunden hat, verbleibt wenig Zeit, um die Vertreterinnen und Vertretern der Parteien von unseren Standpunkten zu überzeugen. Im Bundestag werden in der Mehrzahl Personen über das Gesetz abstimmen, die fachfremd sind und sich nur oberflächlich bis gar nicht näher mit der Thematik befasst haben. Jedes BDP-Mitglied kann mithelfen, unsere Argumente einzubringen. Sprechen Sie Politikerinnen und Politiker an. Informieren Sie diese, welche negativen Auswirkungen drohen, wenn der Gesetzentwurf unverändert verabschiedet wird. Die Informationen und Hilfestellung hierzu finden Sie unter dem Link: https://www.bdponline.de/intern/web/2019/03-psychthg/index.html
Die zentralen Kritikpunkte des BDP am Gesetzentwurf sind:
- Ein polyvalenter Bachelor-Studiengang in Psychologie muss die Basis der Psychotherapieausbildung sein und nicht ein spezialisierter Psychotherapie-Studiengang. Eine Entscheidung direkt nach dem Schulabschluss für einen Psychotherapie-Studiengang stellt eine Überforderungen dar
- Keine direkte Verknüpfung der Approbation mit dem Master-Abschluss, sondern Approbation mit gleichem Standard wie bisher (erst nach dem Erwerb der Fachkunde)
- Die Berufsbezeichnung „Psychologische Psychotherapeutin/Psychologischer Psychotherapeut“ soll als Qualitätsmerkmal erhalten bleiben. Die Verkürzung auf „Psychotherapeutin/Psychotherapie“ erzeugt Intransparenz
- Keine Ausweitung des Tätigkeitsfelds der zukünftigen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in anderen psychologische Bereiche außerhalb der Heilkunde (insbesondere Erstellung von Gutachten, Prävention und Rehabilitation) und damit keine Ausweitung des Approbationsvorbehalts
- Adäquate Bezahlung in der Weiterbildungsphase nach dem Master-Abschluss sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Phase der Weiterbildung zum Erwerb der Fachkunde
- Übergangsregelung bei Inkrafttreten der Gesetzesnovelle unter Berücksichtigung von Härtefällen, die die Lebensrealität widerspiegeln
- Verbesserung der Situation der aktuell in der Ausbildung Befindlichen und nicht ausschließlich für Studienanfänger, die nach den neuen Regelungen beginnen werden.
Michael Krämer