Stellungnahme des BDP zum im Aufbau befindlichen Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM) als neue Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit

Stellungnahme

Der Berufsverband BDP begrüßt ausdrücklich die Aktivitäten der Bundesregierung, ein Bundesinstitut mit dem Aufgabenspektrum Gesundheitsförderung und Prävention aufzubauen. Der Gesundheitsförderung im Verständnis der WHO und dem Erhalt von Gesundheit sollte dringend wesentlichere Bedeutung in unserer Gesellschaft zukommen. Mit höheren Lebenserwartungen, den Veränderungen in der Arbeitswelt und in sozialen Gefügen sowie zunehmenden Belastungen durch Unsicherheit und Krisen steigen Erkrankungsrisiken und Versorgungsaufgaben sowie der Bedarf an effektiver Gesundheitsförderung, Prävention und Intervention.

Grundlage dieser Stellungnahme ist die am 4. Oktober 2023 vorgestellte Konzeption des neuen Bundesinstituts. Anhand der vorliegenden Informationen ist ein übergreifendes kon-zeptionelles Verständnis von Gesundheit leider noch nicht zu erkennen. Den diesbezüglich geäußerten Kritikpunkten in der Stellungnahme „Bundesinstitut für Prävention und Aufklä-rung in der Medizin: Verpasste Chance für Public Health in Deutschland!“ des Zukunftsfo-rums Public Health (ZfPH) schließen wir uns inhaltlich vollumfänglich an.

Das Verständnis der „Volkskrankheiten“ auf psychische Erkrankungen ausweiten

Der Berufsverband regt ebenso und dringend an, das Erkrankungsspektrum um psychische Erkrankungen zu erweitern und konzeptionell die psychologischen Aspekte insgesamt und auch bei der Prävention körperlicher Erkrankungen bedeutsam zu integrieren. Die im bisherigen Konzept „BIPAM“ aufscheinende nahezu ausschließlich medizinische Perspektive auf Gesundheit bedarf der Ergänzung und Beteiligung psychologischer Expertise bei der Konzeptentwicklung.

Neben der Berücksichtigung psychologischer Faktoren auf körperliche Erkrankungsdyna-miken ist unbedingt die zunehmende Relevanz von psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft in den Fokus zu nehmen. Psychische Erkrankungen spielen in unserer Gesellschaft eine immer zentralere Rolle.

Prävention und Gesundheitsförderung in den verschiedenen Lebenswelten berücksichtigen

Aktuelle Auswertungen zeigen, dass berufliche Fehltage aufgrund psychischer Erkrankun-gen seit 2012 von steigender Tendenz sind, mit einem bisherigen Höchststand von 48 Prozent der Fehltage in 2022. Psychische Erkrankungen sind zudem seit vielen Jahren die häufigste Ursache für Frühberentungen. Ein wichtiger Ansatzpunkt hierbei ist die betrieb-liche Gesundheitsförderung. Der BDP fordert hier exemplarisch sehr deutlich den Ausbau von betrieblichen Gefährdungsbeurteilungen, um psychischen Stressoren gezielt entgegenwirken zu können.
Eine institutionelle Präventionsarbeit sollte sich neben der Förderung des betrieblichen Ge-sundheitsmanagements auch um Prävention von Suchterkrankungen durch Ressourcen-stärkung, Förderung von Lebenskompetenzen oder auch regulative Maßnahmen im Bereich von Werbung einsetzen.

Ein weiterer zentraler Bereich der Prävention ist der schulische Kontext. In Schulen und Kindertagesstätten werden Kinder und Jugendliche flächendeckend erreicht. Der BDP setzt sich hier bereits seit vielen Jahren für „mehr Psychologie an Schulen“ ein. Auch für (junge) Familien und insbesondere Alleinerziehende wären intensivere Unterstützungen beim Er-werb von Kompetenzen, z. B. für herausfordernde Erziehungssituationen, wichtig. Insbesondere in Familien werden die psychologischen Grundlagen im Hinblick auf die Entwicklung psychologischer Resilienz und damit auch dem späteren Umgang mit psychischen Stressoren und intensiven Belastungen als Entwicklungsaufgaben gelegt.

Ein weiteres wichtiges psychologisches und soziales Themenfeld in der nicht-medizinischen Prävention, das konzeptionelle Berücksichtigung erfordert, wird bereits von der WHO the-matisiert und auch schon an anderer Stelle von der Regierungskoalition bearbeitet: Einsamkeit und soziale Isolation haben nicht nur negative Auswirkungen auf das gesellschaftliche Miteinander, sondern zeigen auch schwerwiegende Auswirkungen auf unsere körperliche und geistige Gesundheit.

Beteiligung psychologischer Expertise an der Konzeptarbeit

Aus Sicht des BDP ist es dringend erforderlich, das Aufgabenverständnis und die wissen-schaftliche Orientierung eines Bundesinstitutes entsprechend der aktuellen Herausforderungen, wie sie im WHO-Programm „Health in all Policies“ beschrieben werden, zu gestalten. Dies erfordert eine multidisziplinäre Perspektive, die psychologische Faktoren der Gesundheit, salutgenetische und ressourcenorientierte Ansätze in Lebenswelten, z. B. Arbeit, Schule und Familie, berücksichtigt und weiterentwickelt. Ein breites, über die medizinische Perspektive hinausgehendes Gesundheitsverständnis und die Orientierung auf evidenzba-sierte Prävention mit wissenschaftlicher, d. h. im strengen Sinne evaluationsbasierter Wei-terentwicklung der Interventionsansätze, bieten erst die ausreichende Grundlage für eine effektive Prävention für die Bevölkerung. Zentrale Elemente wie Risikokommunikation, Wissensvermittlung, Motivierung, verhaltens- und verhältnispräventive Vorschläge und wesentliche Förderbereiche wie Selbstbestimmung, Selbstwertgefühl, Selbstwirksamkeit, Ressourcenaktivierung, Empowerment und Teilhabe, soziale Fertigkeiten und Emotionsregulation zeigen, dass hier die Psychologie als tragende Disziplin unverzichtbar ist. Insbe-sondere im Kontext aktueller Transformationsprozesse und dabei entstehenden neuen Anforderungen und Belastungen sind Kompetenzen zur kontinuierlichen Bedarfsprüfung, Konzept- und Interventionsentwicklung sowie Evaluation der Effektivität eine notwendige Prozessqualität für die Gestaltung von effektiver Prävention, und dies nicht nur am Arbeitsplatz und im Bildungsbereich.

Als größter psychologischer Berufsverband gehören Prävention, Gesundheitsförderung und der Erhalt psychischer Gesundheit zu unseren Schwerpunktthemen und Aktionsfeldern. Gerne stellen wir unser Wissen und unsere Expertise zur Verfügung.

Ihre Ansprechpartnerinnen:
Thordis Bethlehem Präsidentin
E-Mail: t.bethlehem@bdp-verband.de
Susanne Berwanger Vizepräsidentin
E-Mail: s.berwanger@bdp-verband.de

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Psychologie und Gesundheit
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