Kinderkriminalität wie im Fall Freudenberg – BDP hält Besonnenheit und Umsicht aus psychologischer Sicht gerade jetzt für besonders wichtig

Pressemitteilung

Nach den bestürzenden Ereignissen in Freudenberg, wo zwei junge Mädchen im Alter von 12 und 13 Jahren nach eigenen Aussagen die 12-jährige Luise erstochen haben sollen, wendet sich der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen an die Bevölkerung und ruft zu Umsicht und Ruhe auf. Zum genauen Tathergang und den Motiven der Tat ist bisher noch nichts bekannt oder an die Öffentlichkeit gedrungen. Die tatverdächtigen Mädchen sind gemeinsam mit ihren Familien augenblicklich in behördlicher Obhut und werden von der Öffentlichkeit abgeschirmt, auch um sie zu schützen.

Mit 12 und 13 Jahren sind die Mädchen noch strafunmündig. Die Strafmündigkeit beginnt erst im Alter von 14 Jahren. Ähnliche von minderjährigen noch unmündigen Täter*innen begangene Delikte gibt es immer wieder – allerdings, so zeigt die Statistik, sind die Zahlen eher niedrig: 2021 etwa gab es 19 Fälle.

Die Motive für kindliche Straftaten müssen am jeweiligen komplexen Entwicklungsalter gemessen werden und sind immer individuell und im Kontext des jeweiligen Umfeldes der Kinder zu sehen, fordert der BDP. Aus entwicklungspsychologischer Perspektive steht die Stufe der Entwicklung des Selbstkonzeptes, der Selbstkontrolle und der Selbstwahrnehmung von Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Altersgruppen im Fokus. Die Debatte über eine mögliche Herabsetzung der Strafmündigkeit darf – wenn überhaupt – nur unter Berücksichtigung aller Faktoren (psychologische, soziale, rechtliche, ethische usw.) und unter Einbeziehung aller Expert*innen erfolgen – eine voreilige gesetzliche Entscheidung solcher Art etwa auf politischen Druck durch Petitionen oder aus der Allgemeinbevölkerung könnte fatale Folgen für Kinder und Jugendliche und somit auch für unsere Gesellschaft als Gemeinschaft mit sich ziehen.

In Bezug auf die Geschehnisse in Freudenberg ist es jetzt wichtig, wie es die ermittelnden Behörden gerade auch tun, mit Besonnenheit zu agieren. Das gilt für eine mediale Berichterstattung der strafrechtlichen Ermittlungen sowie auch für die Betreuung und Folgemaßnahmen. Empathie und Rücksichtnahme für die Angehörigen des Opfers und der Schutz der beteiligten Mädchen und ihrer Familien sollten vor allem im Mittelpunkt stehen. Auch minderjährige Tatverdächtige haben ein Recht auf Kinder- und Jugendschutz. Übereilte Erklärungsversuche für die Tat sind zu diesem frühen Zeitpunkt spekulativ und sollten mit Vorsicht behandelt werden.

Psycholog*innen können und werden in den verschiedenen Phasen der Ermittlung sowie von Seiten der zuständigen Behörden mit einbezogen werden. Wichtig wird hier auch sein, mittelbar Betroffene wie die Klasse und Schule der Mädchen sowie weitere besorgte Menschen nicht zu vergessen und auch Eltern bei Erklärungen zu Medienberichten zu unterstützen.

Der BDP ruft dazu auf, mit vorschnellen Erklärungsversuchen und Meinungen vorsichtig umzugehen, gleichzeitig eigene Ängste und Sorgen in Zusammenhang mit der Tat ernst zu nehmen. Kinder- und Jugendpsycholog*innen können helfen, mit belastenden Erfahrungen und Ängsten umzugehen, auch wenn sie nicht im eigenen Umfeld stattgefunden haben.

Für Einordnungen der Geschehnisse aus psychologischer Sicht stehen Ihnen unsere BDP-Expert*innen gerne zur Verfügung.

Kontakt

Dipl.-Psych. Ralph Schliewenz, Vizepräsident des BDP, Präsidiumsbeauftragter für Kindeswohl und Kinderrechte und Vorsitzender der Fachgruppe Kinder- und Jugendpsychologie in der Sektion Klinische Psychologie
presse@bdp-verband.de

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