PM: Antisemitismus in Deutschland – psychologische Expertise kann helfen

Respekt

Mit Dr. Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, fand am 29.06.2018 ein Treffen im Shalom-Zentrum in Würzburg statt. An dem Gespräch nahmen Mitglieder des Arbeitskreises Integration im BDP teil: vermittelt hat den Kontakt dankeswerterweise Alfred Spall; dabei waren außerdem Elisabeth Götzinger, Dr. Larissa Burruano und der BDP-Präsident Prof. Michael Krämer.

Das Gespräch diente dem persönlichen Kennenlernen und einem Austausch über das Thema Antisemitismus in Deutschland. Es fand in einer sehr positiven Atmosphäre statt. Die BDP-Vertreterinnen und Vertreter brachten ihre Solidarität mit den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zum Ausdruck, die in unserer Gesellschaft sowohl massiven als auch unterschwelligen Angriffen ausgesetzt sind. Sie betonten, dass die ethischen Grundlagen des Berufsstands die humanistischen Werte des Zusammenlebens hervorheben. Das Eintreten für den Schutz von Minderheiten ist daher naheliegend, unabhängig davon, ob das einzelne Mitglied des BDP selbst einer Religionsgemeinschaft angehört oder eine Religion praktiziert.

Antisemitismus wird unter anderem durch das Erstarken nationalistischer Tendenzen in Europa (Polen, Ungarn, Türkei usw.) gefördert. Deutschland kommt aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung zu. Dennoch haben noch heute ca. 20% der deutschen Bevölkerung eine antisemitische Einstellung. Die starke Zunahme von geflüchteten Menschen in Deutschland seit 2015 führt zu Verunsicherung und Abgrenzungstendenzen. Ängste vor Fremden werden beispielsweise durch die AfD geschürt und Vorurteile gegenüber Minderheiten verstärkt. Antisemitismus durch arabischstämmige Geflüchtete ist zu registrieren, kann aber nicht die vielen Vorfälle in Deutschland erklären. 

Im Gespräch wird deutlich, dass es Antisemitismus (nicht nur in Deutschland) schon seit Jahrhunderten gibt. Auch ist Antisemitismus kein Phänomen sozial benachteiligter Schichten. Kein Kind kommt mit antisemitischen Einstellungen zur Welt. Diese sind vom Elternhaus und dem sozialen Umfeld vermittelt. Wenn „Jude“ auf Schulhöfen als Schimpfwort benutzt wird oder jüdische Kinder gemobbt werden, sind Lehrerinnen und Lehrer häufig überfordert. An den Universitäten werden sie diesbezüglich nicht ausreichend ausgebildet. Eigene Unsicherheit kann dazu führen, über Vorfälle hinwegzusehen. Wenn eine Verhaltensänderung bei Schülerinnen und Schüler erreicht werden soll, erfordert es eine intensive Beschäftigung mit dem Thema. Dazu fehlen die Zeit und das passende Unterrichtsmaterial. Der in der Oberstufe für viele obligatorische Besuch in einem Konzentrationslager reicht dafür nicht aus und kann sogar kontraproduktiv wirken, wenn er schlecht vor- und nachbereitet wird. Albernheiten können an die Stelle einer prägenden Auseinandersetzung treten.

Psychologinnen und Psychologen kennen die Bedingung der Entstehung von Vorurteilen und die Änderungsresistenz von Vorurteilen. Sie können für das Thema sensibilisieren und auf die negativen Konsequenzen hinweisen. Gesetze, die antisemitisches Verhalten mit Strafe belegen, sind in Deutschland vorhanden, diese Delegitimierung reicht aber zu einer Einstellungs- und Verhaltensänderung nicht aus. Auch Wissen hat begrenzte Wirkung. Hinzukommen muss eine positive affektive Einstellung und idealerweise ein direkter positiver Kontakt. Dr. Schuster zeigt sich interessiert an einem Einbezug psychologischer Expertise in Projekten gegen Antisemitismus. Die Frage, welche Strategien ein nachhaltig positives Zusammenleben bewirken, ist noch unbeantwortet. Nach dem politischen Erfolg einer Etablierung von Antisemitismus-Beauftragten auf Bundes- und Länderebene empfiehlt Dr. Schuster die Kontaktaufnahme mit diesen Verantwortlichen, um Möglichkeiten einer projektbezogenen Zusammenarbeit mit dem BDP auszuloten.

Ein friedliches Zusammenleben erfordert unsere Aufmerksamkeit und unser Engagement!  Den Antisemitismus ignorieren, wegschauen und zur Tagesordnung übergehen, darf für uns keine Alternative sein.

Wenn Sie sich weiter mit dem Thema beschäftigen wollen, finden Sie Informationen zum Judentum in Deutschland auf der Website:
www.zentralratderjuden.de

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