PM: Deutschland leidet nicht unter Zuwanderung, sondern unter jahrzehntelanger Ignoranz dieser Realität
Psychologen treten für ein Umdenken in der Gesellschaft ein
Deutschland ist ein Zuwanderungsland – dies hat unsere Regierung erst 2005 offiziell festgestellt, mindestens 30 Jahre zu spät. Mit den Folgen haben die Menschen in diesem Land noch heute zu kämpfen und zwar nicht mit denen der Zuwanderung, sondern mit den Folgen, die sich aus der jahrzehntelangen Ignoranz dieser Realität ergeben. Diese Einschätzung trifft die Präsidiumsbeauftragte für Menschenrechte des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), Eva van Keuk, in einer Stellungsnahme zur aktuellen Integrationsdebatte. Der BDP hat sich mehrfach für die Anerkennung der Zuwanderungsrealität und für strukturelle Veränderungen ausgesprochen. Zuletzt setzte er sich in einer Petition an den Bundestag für kultursensible, muttersprachliche psychotherapeutische Versorgung von Menschen mit Zuwanderungshintergrund ein. Integration bedeute eben nicht, „dass zuwandernde Menschen sich bis zur Unkenntlichkeit anpassen, sondern dass sich gesellschaftliche Strukturen der veränderten Realität anpassen müssen. Zu diesem Veränderungsprozess gehört die aufnehmende Gesellschaft genauso wie die neuen Zuwanderer“, erklärt van Keuk.
Mit Bedauern und Sorge sieht der Verband eine zunehmende Spaltung der Diskurse in den Medien in scheinbar eindeutige „Wir“ und „die anderen“. Bei genauerem Nachfragen sind dabei stets unterschiedliche Gruppen gemeint – mal „Einheimische“, mal „türkische Migranten“, mal „Muslime“ und dann wiederum „Ausländer“. Längst aber existieren diese Gruppen in ihrer scheinbaren Eindeutigkeit nur noch in den Köpfen – und nicht mehr in der Realität unserer vielschichtigen Bevölkerung. Deutsche haben einen deutschen Pass – und doch werden Deutsche mit schwarzen Haaren oder schwarzer Hautfarbe ständig gefragt, woher sie bitte „stammen“. „Wie kann Integration gelingen, wenn Ausgrenzung eine Alltagserfahrung für einen großen Teil unserer Bevölkerung darstellt?“, fragt van Keuk.
Der BDP tritt dafür ein, sich gemeinsam um Lösungen für die in der Tat existierenden Probleme zu bemühen. Alle in dieser Gesellschaft – ob zugewandert oder eingeboren, ob christlich, muslimisch, jüdisch oder anderweitig religiös bzw. atheistisch, ob rot–, schwarz– braunhaarig oder blond – tragen dafür Verantwortung, Sie sollten aber auch die Chance haben, diese wahrzunehmen, damit die längst fälligen Veränderungen im Interesse aller umgesetzt werden: Sprachförderung aller Kinder von Kindergartenalter an, Abbau von Diskriminierung und Ausgrenzung auf dem Arbeitsmarkt, Bekämpfung von Fundamentalismus, Rassismus und Rechtsradikalismus, Bekenntnis zur einer offensiven Zuwanderungspolitik, Einhalten von fundamentalen Rechten wie dem Flüchtlingsschutz – um nur die wichtigsten zu nennen. Abschließend heißt es in der Stellungnahme: „Die gesellschaftliche Auseinandersetzung ist vergleichbar mit einem Streit in der Familie – er lohnt sich in der Regel, denn Auseinandersetzungen gehören dazu. Viel wichtiger ist aber zunächst die Feststellung, dass es sich um eine Familie handelt – und damit die Zugehörigkeit aller Familienmitglieder zur Mischpoke gewährleistet ist. Davon sind wir leider aktuell noch weit entfernt.“