PM: Kein Grund zur Entwarnung
Für Psychologen ist das Thema Vorratsdatenspeicherung auch nach Karlsruher Urteil nicht vom Tisch
Die größte Massenklage in der Geschichte der Bundesrepublik von rund 35.000 Menschen war erfolgreich. Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aller Kommunikationsdaten hat der Prüfung durch die Verfassungsrichter nicht standgehalten; sämtliche seit 2008 auf Grundlage dieses Gesetzes gespeicherten Daten müssen gelöscht werden. Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) nimmt das Urteil mit Genugtuung zur Kenntnis. Psychologen, Psychotherapeuten und andere Berufsgruppen hatten sich durch das Gesetz in ihrer beruflichen Tätigkeit massiv beeinträchtigt gesehen.
"Allerdings", so BDP-Präsidentin Carola Brücher-Albers, "ist das Thema für uns damit noch lange nicht vom Tisch. Wir müssen fürchten, dass die exzessive Datenspeicherung in wenigen Monaten erneut beginnt, sobald der Gesetzgeber nachgebessert hat, was die Verfassungsrichter zur Verhältnismäßigkeit, Datensicherheit und Transparenz angemahnt haben." Denn die Zulässigkeit der EU-Richtlinie, die Grundlage für das Gesetz war, hat Karlsruhe nicht in Frage gestellt. Damit könne es aber erneut zu einer anlasslosen massenhaften Speicherung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat kommen.
Ziel des BDP ist es deshalb, gemeinsam mit den im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung vereinten Kräften, durch eine europäische Initiative die EU zur Rücknahme ihrer Richtlinie zu bewegen. Dafür werden eine Million Unterschriften gebraucht. Der BDP-Vorstand ruft seine Mitglieder auf, sich an dieser Aktion zu beteiligen und auch die Abgeordneten im eigenen Wahlkreis auf dieses Thema anzusprechen.
Besorgt beobachtet der Verband, dass auch außerhalb der staatlichen Praxis Informationssammlungen in großem Umfang zunehmen - siehe Arbeitnehmer-Informationssystem ELENA sowie elektronische Gesundheitskarte. Die wachsenden technischen Möglichkeiten und ihre Nutzung durch staatliche und private Einrichtungen gefährden die Persönlichkeitsrechte der Bürger, zu deren Schutz sich die Unterzeichner der Europaratskonvention verpflichtet haben. Das ist - so die BDP-Präsidentin - unvereinbar mit der Erhebung und Speicherung hochsensibler Daten über Menschen, ihre privaten Kontakte, ihre psychische Belastbarkeit, ihre Erkrankungen und anderes mehr. Psychologen und Psychologische Psychotherapeuten fühlen sich in ihrer Arbeit zum Wohle der Gesundheit von Bürgern beeinträchtigt, wenn Patienten um die Sicherheit ihrer Daten fürchten müssen. Das gilt sowohl für die Tatsache der Kontaktaufnahme wie für die bei der Behandlung erhobenen Daten. Patienten bauen auf die Schweigepflicht der Berufsgruppe, können aber der "Verschwiegenheit" von Computern und riesigen Rechnernetzen nicht trauen, wenn der Zugriff auf diese großzügig gestattet wird.
Alle künftigen Erklärungen über die angebliche Sicherheit persönlicher Daten verdienen nach Auffassung des Verbandes äußerste Skepsis. Dass auf einmal erhobene Datensammlungen missbräuchlich zugegriffen wird, ist durch die Beispiele aus dem Finanzsektor und der Wirtschaft hinreichend erwiesen.