PM: Kindeswohl muss oberste Maxime sein

Rechtspsychologen des BDP appellieren an Eltern, Anwälte und Sachverständige

Über das Wohl des Kindes als oberste Maxime besteht einerseits gesellschaftlicher Konsens, andererseits wird gerade in Fällen, in denen sich Eltern bzw. Familien trennen und es zu familienrechtlichen Auseinandersetzungen kommt, das Kindeswohl von den Beteiligten bisweilen nicht ausreichend beachtet.
Das OLG Köln (4 UF 183/10) hat nun mit einer Entscheidung eine Grenze gezogen, die von allen zu beachten ist, gleichzeitig aber nach Ansicht der Sektion Rechtspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologen auch Eltern, ihre Rechtsvertreter und psychologische Sachverständige zu einer Überprüfung ihrer Möglichkeiten anregen sollte. Im konkreten Fall hatten sich die Eltern dreier Kinder getrennt. Wegen der Alkoholabhängigkeit des Vaters und massiver häuslicher Gewalt gegenüber der Mutter ist sein Umgang mit seinen Kindern entgegen seinem Wunsch längerfristig auf Briefkontakte und Geschenksendungen beschränkt worden. Das Gericht geht von einer schweren Traumatisierung der Kinder durch das hilflose Miterleben massiver Gewalterfahrungen bis hin zum Tötungsversuch gegenüber der Mutter aus. Der Hinweis des Vaters auf eine bereits durchgeführte Therapie sowie darauf, dass es von seiner Seite nie Gewaltausübung gegenüber den Kindern gab, überzeugte das Gericht nicht. Vielmehr zeuge es von fortdauernder Uneinsichtigkeit des Vaters, auf direkte (auch telefonische) Kontakte mit seinen Kindern zu drängen. Das Gericht räumte dem Vater jedoch ein, das Umgangsrecht bzw. die schrittweise Einleitung vertrauensbildender Maßnahmen nach einem Jahr erneut prüfen zu lassen.
Dr. Anja Kannegießer vom Vorstand der Sektion Rechtspsychologie ruft Eltern in vergleichbarer Situation auf, das Gerichtsurteil zum Anlass zu nehmen, die Sicht der Kinder und ihre Langzeitentwicklung stärker zu überdenken. Insbesondere sollten sie sich vergegenwärtigen, dass partnerschaftliche physische Gewalt oftmals zu starken Belastungen bei den miterlebenden Kindern führt. Dies umso mehr als sich in der angstauslösenden Gewaltsituation beide Eltern nicht um das Kind kümmern können. „Eltern sollten nie vergessen, dass die Beziehung zu Eltern und die Bindung an sie nichts Kurzfristiges sind, sondern sich auch nach traumatischen Ereignissen in der Vergangenheit wieder entwickeln können. Dazu ist aber Geduld und kritische Reflexion des eigenen Verhaltens notwendig“, betont Kannegießer.
Vergangene Kränkungen und Verletzungen auf der Paarebene gehören aus ihrer Sicht nicht in einen Prozess, der unter dem Deckmantel eines Einklagens oder der Verteidigung vermeintlicher Rechte geführt wird.  Daher gingen psychologische Sachverständige schon während ihrer Arbeit den Weg der Konfliktminderung. Hierbei könnten sie jedoch nur erfolgreich sein, soweit der rechtliche Beistand der Eltern ein solches Bemühen nicht konterkariert. Die Berufsvertretung der Sachverständigen, die Sektion Rechtspsychologie im BDP, appelliert deshalb nachdrücklich an die Rechtsanwälte, im Interesse aller Beteiligten bei ihren Mandanten vehement das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt der Vorgehensweise zu stellen und um Verständnis für die Positionen des Gegenübers zu werben. Das ist keinesfalls Parteienverrat, sondern ist dem Primat des Kindeswohls geschuldet.

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