PM: Menschen aufzugeben heißt kapitulieren

Psychologenverband sieht Ramsauers Pläne kritisch

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) steht den Eckpunkten für eine Neuregelung des Verkehrszentralregisters in ihrer bisherigen Form kritisch gegenüber. Maßnahmen, die man gegebenenfalls weiterentwickeln müsste, würden gestrichen, neu angeregte Maßnahmen seien aus psychologischer Sicht zum Teil fragwürdig. Zudem bringe das Papier aus dem Verkehrsministerium zum Ausdruck, dass seine Verfasser das Verhalten einer Gruppe von Kraftfahrern für nicht veränderbar halten. In dem Papier des Ministers werden diese als „unbelehrbare Wiederholungstäter“ bzw. „ungeeignete Kraftfahrer“ bezeichnet.

BDP-Präsidentin Sabine Siegl sieht in dieser Kapitulation Parallelen zum Umgang mit Gewalttätern, die tendenziell immer häufiger über ihre eigentliche Haftstrafe hinaus in Sicherungsverwahrung weggesperrt werden und bei denen eine Resozialisierung aufgegeben wird, was der Europäische Menschenrechtsgerichtshof wiederholt kritisiert habe.

Der Vorsitzende der Sektion Verkehrspsychologie im BDP, Dr. Peter Kiegeland, kritisiert zudem, dass der Minister die bisher bestehende Möglichkeit, durch Teilnahme an verkehrspsychologischen Beratungen Punkte abzubauen, abschaffen will. „Man hätte darüber nachdenken können, ob diese Beratungen in der Vergangenheit schon deutlich früher hätten einsetzen sollen (nicht erst bei 14 Punkten!). Aus fachlicher Sicht hätte es sich auch gelohnt zu prüfen, ob die Zahl der Beratungstermine (bisher drei Zeitstunden insgesamt) tatsächlich ausreichend ist. Auch eine Evaluation, die mit einbezieht, welche Gruppe von Kraftfahrern überhaupt daran teilgenommen hat und ob es einen Zusammenhang zwischen dem teilweisen Misserfolg und Gruppenspezifika gibt, hätte sich gelohnt. Stattdessen wird einfach unterstellt, dass eine Verhaltensänderung nicht möglich ist.“

Zur Veranschaulichung weist Kiegeland darauf hin, dass Verkehrsrowdys nicht geboren würden, sondern sich entwickelten. An der richtigen Stelle dieses Prozesses müsse die Gesellschaft eingreifen statt einfach abzuwarten und zuzuschauen, wie immer weitere Punkte angesammelt werden, bis es zum Entzug der Fahrerlaubnis kommt.

Kiegeland vermisst in den Eckpunkten Hinweise darauf, dass ernsthaft darüber nachgedacht wurde, welche Maßnahmen bei wem und wann überhaupt lernpsychologische Effekte haben können. Dazu müsse man sich von der Vorstellung lösen, auffällige Kraftfahrer seien eine homogene Gruppe. „Das sind sie mitnichten, wir finden in ihr den Vielfahrer unter Zeitdruck, den jugendlichen Underdog, der sein Selbstbewusstsein übers Gaspedal bezieht und den Chaoten, der so chaotisch fährt wie er lebt. Bei diesen verschiedenen Kraftfahrern braucht es verschiedene Interventionsmaßnahmen und nicht das vorgeschlagene Fahreignungsseminar für alle mit der roten Stufe auf dem Punktetacho.“ Oft werde überhaupt nur über eine Einzelmaßnahme eine erfolgreiche Verhaltensänderung möglich sein. Das Auffrischen von Regelwissen in einem Seminar schade zwar nicht, werde aber allein nur selten die Ursache des Fehlverhaltens von Kraftfahrern beseitigen.

BDP-Präsidentin Sabine Siegl erwartet, dass nach Diskussionen mit Fachleuten, u.a. aus dem BDP und der Deutschen Gesellschaft für Psychologie die Eckpunkte noch wichtige Änderungen erfahren werden, bevor daraus ein konkreter Gesetzentwurf wird. Sie begrüßt die Einladung an den Verband zu einem Gespräch im Bundesverkehrsministerium, hätte sich aber gewünscht, dass Konsultationen mit Psychologen bereits vor der Ausarbeitung und Verkündung der Eckpunkte stattgefunden hätten.

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