PM: Perspektiven der Psychologie in Deutschland

Eine Information zu den Empfehlungen des Wissenschaftsrats vom 26.01.2018 kommentiert aus Sicht des BDP

Der Wissenschaftsrat hat im Juni 2016 eine Arbeitsgruppe beauftragt, Empfehlungen zu den Perspektiven der Psychologie in Deutschland zu erarbeiten. Letztmalig hatte der Wissenschaftsrat Vergleichbares 1983 veröffentlicht. In den zurückliegenden 35 Jahren hat sich in der Psychologie viel getan und im Folgenden sollen zentrale Punkte aus dem umfangreichen Text wiedergegeben und kommentiert werden.
Auch zu der aktuellen Diskussion um die Novellierung des Psychotherapeutengesetzes bezieht der Wissenschaftsrat Position, indem er die psychologische Disziplin als „Mutterwissenschaft“ der Psychotherapie bezeichnet und ein Psychologiestudium als Regelfall und Grundlage der Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin und zum Psychologischen Psychotherapeuten hervorhebt. Klar wird geäußert, dass Psychotherapie ein Anwendungsfeld der Psychologie ist. All dies bestätigt die vom BDP vertretene Position in der sehr kontrovers geführten Novellierungsdiskussion vollumfänglich.

Zur Lage der Psychologie
Seit den letzten Empfehlungen des Wissenschaftsrats hat die Bologna-Reform mit der Einführung der Bachelor- und Master-Studiengänge stattgefunden, die Zahl der Studierenden des Fachs Psychologie hat sich in Deutschland vervielfacht und das Studienangebot deutlich aufgefächert.
Im Wintersemester 2016/17 zählte die Psychologie mit über 75.000 Studierenden zu den zehn beliebtesten Studienfächern in Deutschland. Ohne eine exakte Zahl nennen zu können berichtet der Wissenschaftsrat, dass zusätzlich an ausländischen Hochschulen viele deutsche Studierende in Psychologie eingeschrieben sind. So läge der Anteil deutscher Studierender an manchen österreichischen Psychologie-Fachbereichen bei 90%. Den höchsten Zuwachs haben in Deutschland die Fernuniversität Hagen und private Hochschulen zu verzeichnen. An den deutschen Universitäten liegt der Numerus clausus für Psychologie im Durchschnitt bei 1,4, an Fachhochschulen bei 1,7. Die Studienabbruchquote im Bachelor-Studium im Fach Psychologie ist tendenziell rückläufig und liegt unter 10% eines Jahrgangs in Deutschland.
Ca. 75% der Studierenden des Fachs sind weiblich. Daraus folgert der Wissenschaftsrat, dass im Gegensatz zu vielen anderen Fächern Maßnahmen zur Erhöhung des Männeranteils sinnvoll seien, um eine größere Ausgewogenheit der Geschlechter im Beruf herzustellen.
Explizit wird gefordert, dass das Studium sowohl wissenschaftliche als auch praktische Kompetenzen vermitteln soll. Mittlerweile existieren laut den Recherchen des Wissenschaftsrats mehr als 100 Bachelor- und Master-Studiengänge an 74 deutschen Universitäten und 33 Fachhochschulen, die in Psychologie qualifizieren. Angesichts der Vielzahl der Studienangebote und der drohenden Unübersichtlichkeit muss die Transparenz für Studierende und spätere Arbeitgeber gefördert werden. Gleiches gilt für die Sicherstellung der Qualität der Inhalte und der Vermittlungsmethoden.
Die Übergangsquote vom Bachelor- zum Master-Studium in Psychologie liegt bei 91%. Dies entspricht der Empfehlung des BDP, die umfangreichere Qualifikation für die anspruchsvollen psychologischen Arbeitsfelder zu erwerben.
Auch wenn exakte Zahlen schwer zu ermitteln sind, spricht der Wissenschaftsrat von 116.000 Erwerbstätigen mit Psychologie-Abschluss in Deutschland. Der Arbeitsmarkt für Absolventinnen und Absolventen des Fachs wird als positiv bezeichnet. Dafür spricht eine Die Arbeitslosenquote beträgt 2,4% (in 2014). Sie liegt noch leicht unter der Durchschnittsquote aller Akademikerinnen und Akademiker in Deutschland. Von den Berufstätigen sind ca. 45.000 selbstständig.
In den vergangenen Jahrzehnten ist es den Absolventinnen und Absolventen gelungen, sich über die traditionellen Einsatzgebiete hinaus weitere Berufsfelder zu erschließen. Die Mehrzahl der Psychologinnen und Psychologen ist nach wie vor im Bereich Klinische Psychologie/Psychotherapie/Gesundheit tätig. Als weitere große Felder werden die Wirtschaft und die Pädagogische Psychologie/Schulpsychologie/Beratung genannt.
Auch nach Studienabschluss ist für viele psychologische Tätigkeitsfelder eine weitere spezialisierte fachliche Qualifizierung nach Studienabschluss sinnvoll und erforderlich. Als Beispiel dafür wird die Ordnung der Weiterbildung in Rechtspsychologie der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen positiv hervorgehoben.

Die Novellierung des Psychotherapeutengesetzes
Der Wissenschaftsrat ist auf die Novellierung des Psychotherapeutengesetzes, wie schon eingangs erwähnt, näher eingegangen. Als Basis der Psychotherapieausbildung empfiehlt er ein fachlich breites Studium in Psychologie bis zum Bachelor-Abschluss. Explizit wird vor einer zu frühen Festlegung – z.B. zum Studienbeginn – auf das psychotherapeutische Arbeitsgebiet gewarnt. Der Bachelor-Abschluss soll durch eine Spezialisierung im Master-Studium mit Ausrichtung auf Klinische Psychologie und Psychotherapie ergänzt werden. In der Ausbildung sollen wissenschaftliche und praktische Kompetenzen altersgruppenbreit und verfahrensübergreifend vermittelt werden. Die dafür erforderlichen neu zu schaffenden Kapazitäten sollen nicht zu Lasten der anderen psychologischen Fächer gehen.
Neben diesem Regelfall erwähnt der Wissenschaftsrat auch, dass andere Ausbildungsmodelle denkbar seien, die jedoch zunächst erprobt und evaluiert werden müssen, bevor sie ausgeweitet werden. Dies spricht eindeutig gegen den Versuch, ein „Direktstudiums Psychotherapie“ mit allen zu erwartenden Kollateralschäden im Zuge der Gesetzesnovellierung flächendeckend einzuführen.
In einem klinisch ausgerichteten Master-Studium von viersemestriger Dauer, wovon ein Semester der wissenschaftlichen Master-Arbeit gewidmet ist, lässt sich nur eine Grundlage für selbstverantwortliches psychotherapeutisches Handeln legen. Die Zeit reicht nicht aus, um fachlich und praxisbezogen alle Qualifikationen zu vermitteln, die einer Approbation nach der bisherigen Definition (als Ausweis der Fachkunde) entsprechen. Daher ist es nur konsequent, dass der Wissenschaftsrat nach einem zehnsemestrigen wissenschaftlichen Studium ein Praktisches Jahr empfiehlt, bis die Approbation erteilt wird. Er greift den Vorschlag des BDP auf, das Sammeln praktischer Erfahrungen nach dem Studienabschluss durch die Erteilung einer eingeschränkten Behandlungserlaubnis zu ermöglichen und weist darauf hin, dass die postgraduale Phase adäquat bezahlt werden müsse.

Psychologie an den Hochschulen
Der große Vorteil der Mehrfachanschlussfähigkeit der psychologischen Studienabschlüsse, die einen Wechsel zwischen den Arbeitsfelder bisher ermöglichte und auch von einer sehr großen Zahl der aktuell im Beruf befindlichen genutzt wurde, soll erhalten bleiben.
Der Wissenschaftsrat kritisiert jedoch, dass die Benotung der Abschlüsse nur eine sehr geringe Spannbreite aufweist. 98% der Master-Zeugnisse werden mit sehr gut oder gut benotet. Damit findet kaum noch eine Differenzierung statt. Er empfiehlt, das Notenspektrum besser auszuschöpfen, um die Aussagekraft der Zeugnisse zu erhöhen.
Aufgefordert werden die Lehrenden an den Hochschulen die drei Dimensionen akademischer Bildung: (Fach)Wissenschaft, Persönlichkeitsbildung und Arbeitsmarktorientierung im Auge zu behalten. Der BDP weist beständig darauf hin, dass auch und gerade durch die Bologna-Reform die beiden letztgenannten Aspekte nicht vernachlässigt werden dürfen. Tendenziell jüngere Studierende befinden sich stärker als je zuvor in einer wichtigen Phase der Persönlichkeitsentwicklung. Der Beratungs- und Betreuungsbedarf hat eher zu- als abgenommen. Sehr spezifisch ausgelegte Abschlüsse, die beispielsweise Trends in der psychologischen Forschung widerspiegeln, schränken die Beschäftigungsfähigkeit der Absolventinnen und Absolventen ein. Der Zielkonflikt immer mehr fachliche Inhalte zu vermitteln und gleichzeitig die Verweildauer an den Hochschulen zu reduzieren, darf nicht auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen werden.
Da in Wissenschaftskreisen von einer Replikationskrise psychologischer wissenschaftlicher Befunde gesprochen wurde, nachdem vermeintlich sichere empirische Erkenntnisse von unabhängigen Forschern nicht wiederholt werden konnten und Beispiele wissenschaftlichen Fehlverhaltens auch in Psychologie publik geworden sind, empfiehlt der Wissenschaftsrat die Weiterentwicklung fachspezifischer Standards guter wissenschaftlicher Praxis einschließlich Leitlinien wissenschaftlicher Integrität voranzutreiben. Ethik-Codes werden nur dann wirksam, wenn alle Beteiligten – Forschende, Praktikerinnen und Praktiker, Institutionen und Verbände – gemeinsam deren Beachtung einfordern und auf deren Einhaltung hinwirken.

Herausforderungen jetzt und in Zukunft
Der Wissenschaftsrat hebt das Ziel der Einheit der Psychologie hervor. Dafür steht der BDP als Vertretung aller psychologischen Berufsfelder wie kein anderer Verband in Deutschland. Weiterhin fordert der Wissenschaftsrat dazu auf, dass sich die Psychologie stärker noch als bisher mit gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzt und Lösungsansätze entwickelt.
Nachdem sich die Psychologie als Fachdisziplin etabliert hat und stark nachgefragt wird, soll sie bei aller Komplexität der Bedingungsfaktoren des menschlichen Erlebens und Verhaltens den Transfer ihrer Erkenntnisse in die Praxis weiter verbessern. Das tagtägliche Engagement der Mitglieder des BDP trägt dazu bei. Der Wissenschaftsrat hat uns mit seinen Empfehlungen den Rücken gestärkt, vor einer Zersplitterung des Fachs gewarnt und uns zur Wahrnehmung unserer Verantwortung angehalten.

Prof. Dr. Michael Krämer
Präsident des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V (BDP)

Quelle:
www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/6825-18.pdf (abgerufen am 01.02.2018)

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Pressemitteilung
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