PM: Politik sollte aufhorchen

Jugendkrawalle in Großbritannien signalisieren soziale Zeitbomben

In den Aktionen von Jugendlichen in London und anderen Städten Großbritanniens sieht der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen keine singulären Ereignisse, auf die deutsche Politiker unbeeindruckt aus der Ferne schauen könnten. „Die vorausgegangenen Proteste in Frankreich und Spanien zeigten ein riesiges Potenzial von sozialer Unzufriedenheit, so BDP-Präsidentin Sabine Siegl. Die Politik müsse aufhorchen, statt mit Hinweis auf die gute Lehrstellensituation in Deutschland die Bedeutung solcher Unruhen für die Bundesrepublik herunterzuspielen.

Soziale Brennpunkte und Perspektivlosigkeit aufgrund mangelnder Integration, schlechter oder gar keiner Schulabschlüsse gebe es auch in Deutschland von Berlin-Neukölln bis Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg, so Siegl. Offen sei nur, wann und in welcher Stärke diese sozialen Zeitbomben explodieren.

Der Verrohung unter Jugendlichen habe die Politik derzeit nichts entgegenzusetzen, ergänzt der schwerpunktmäßig mit Jugendlichen arbeitende ehemalige BDP-Vizepräsident Laszlo Pota. Bei vielen Jugendlichen wirke sich auch die fehlende Familiensozialisation sehr negativ aus. Konflikte, die eigentlich in Familien angesprochen, ausgetragen und gelöst werden sollten, verlagerten sich so nach draußen. Insbesondere pubertierende Jugendliche nähmen sie mit in virtuelle Welten oder auf die Straße und lebten dort Brutalität aus. Zwar sprechen die Zahlen der Kriminalstatistiker für einen Rückgang der Gewalttaten in Deutschland, doch würden die Täter immer jünger und brutaler, indem sie unreflektiert Handlungen aus der virtuellen Welt übernehmen.

Statt geförderter Familiensozialisation, Ganztagsschulen und einer integrierenden Verbände- und Jugendpolitik, komme es an vielen Orten zu sozialen Einsparungen, werde Förderung abgebaut. Reagiert werde von Seiten der Politik vor allem mit Härte. Darauf deuten auch Äußerungen aus Großbritannien schon wieder hin, in denen von organisierter Kriminalität der Jugendlichen die Rede war, weil diese sich über Handy und soziale Netzwerke verabredet hätten. Statt soziologische Forschung zu betreiben, Ursachen für Massenproteste genau zu untersuchen, betreibe man eine Kriminalisierung von Jugendlichen.

Der Verband appelliert an die Parteien, die Ereignisse in anderen europäischen Ländern ernst zu nehmen und zu handeln, damit junge Menschen bessere Chancen haben, in der Gesellschaft erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. „Sie sollten damit nicht warten, bis bei uns nicht nur Autos, sondern ganze Straßenzüge brennen.“

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