PM: Regelungen für Psychologie und Psychotherapie
Plädoyer für ein zusätzliches Gesetz für Psychologinnen und Psychologen
Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 3. Januar 2019 einen Referentenentwurf zur Novellierung des Psychotherapeutengesetzes (PsychThG) mit der Gelegenheit zur Stellungnahme verschickt. Am 27. Februar 2019 wurde dann ein nur wenig geänderter Gesetzesentwurf vorgelegt. Es wurde ein Studienmodell vorgeschlagen, dass die bisherige Zugangsregelung zur psychologischen Psychotherapie ersetzen soll. Im geltenden Gesetz ist für Psychologische Psychotherapeutinnen und -therapeuten ein Hochschulabschluss in Psychologie vorgesehen, der sich bei der Gesetzgebung auf das Diplom in Psychologie bezog.
In diesem Artikel soll eine grundsätzliche Betrachtung der Berufsfelder in Psychologie und Psychotherapie im Hinblick auf Ausbildungsinhalte und Kompetenzen, Aufgaben und Berufsrechte vorgenommen werden. Dazu bedarf es zunächst grundsätzlicher Einordnungen.
Der BDP setzt sich für die Einheit der Psychologie und für eine angemessene Durchlässigkeit bei Studiengängen und Spezialisierungen in allen Tätigkeitsfeldern der Psychologie ein. Eine grundständige theoretische Ausbildung in Psychologie als der Wissenschaft vom Erleben und Verhalten des Menschen bildet die wesentliche Voraussetzung für die Behandlung von psychischen Erkrankungen. Psychologische Psychotherapie ist angewandte klinische Psychologie.
Psychologische Kompetenzen im Vergleich
Der Gesetzesentwurf enthält eine Reihe problematischer Punkte und gravierende Lücken, die der BDP in einer ausführlichen Stellungnahme aufgreift. Einer der wesentlichen Anlässe für die Novellierung wird mit dem aktuellen Entwurf nicht gelöst: die prekäre finanzielle Situation der Psychotherapeutinnen und -therapeuten in Ausbildung (PiA). Zudem fällt bei den Inhalten des Bachelor-Studiums, das in der Anlage zum Referentenentwurf dargestellt wird, auf, dass das theoretische Grundlagengerüst in Psychologie deutlich geringer ausfällt. Die Studieninhalte in Bachelor und Master sollen per Rechtsverordnung später festgelegt werden, die genannten geringeren Umfänge sind bereits im Gesetzesentwurf fixiert.
Im Vergleich dieses Bachelors zu einem Bachelor-Studium der Psychologie wird nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) von 2014 bei den Grundlagenfächern etwa die Hälfte an Kreditpunkten (25 KP versus 48 bis 60 KP in allgemeiner Psychologie, biologischer Psychologie, Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie, differenzieller und Persönlichkeitspsychologie) vermittelt. Im Bereich Methoden und Diagnostik werden zwei Drittel (33 KP versus 48 KP) des Umfangs eines üblichen Bachelors in Psychologie gelehrt. Die definierte Menge im Bereich aller psychologischen Fächer beträgt im Bachelor 101 und zusammen mit dem Master 180 Kreditpunkte und entspricht damit exakt drei Studienjahren in Psychologie. Es bleibt offen, ob die nicht definierten weiteren Studieninhalte aus der Psychologie oder anderen Fächern kommen sollen.
In der vergleichenden Betrachtung ist auffällig, dass der „Master Psychotherapie“ im Referentenentwurf kaum mehr reale Praxis als aktuelle Master-Studiengänge enthält, aber direkt zu einer Approbation führen soll. Wenn man berücksichtigt, dass in den bestehenden Master-Programmen in klinischer Psychologie/Psychotherapie ebenfalls Rollenspiele stattfinden und ebenso umfangreiche Module zu klinisch-psychologischen Forschungsmethoden, Epidemiologie und anderen versorgungsrelevanten Themen gelehrt werden, muss man zu dem Schluss kommen, dass bei einem Diplom mit Vertiefungsschwerpunkt in klinischer Psychologie (42 bis 60 KP klinische Psychologie) oder einem Bachelor mit klinischem Schwerpunkt plus einem Master in klinischer Psychologie (24 KP plus 48 KP) das klinische Kompetenzprofil fachlich genauso intensiv ausgebildet und je nach Wahlmodulen sogar höherwertiger ist als das im vorgeschlagenen Modell (18 plus 49 KP). Selbst die Kombination eines Bachelors mit klinischem Schwerpunkt in Verbindung mit einem Master mit zwei Anwendungsfächern und daher einfachem Schwerpunkt im Anwendungsfach„Klinische Psychologie“ unterscheidet sich mit 48 KP in klinischer Psychologie vom Modell im Referentenentwurf nicht wesentlich, bis auf die Tatsache, dass bei Letzterem die Vorgaben zu den Grundlagenfächern geringer ausfallen.
Psychologie als Wissenschaft vom Erleben und Verhalten entfaltet mit effektiven Dienstleistungen hohe Potenziale in der Gesellschaft und wirkt sich in vielen Bereichen sehr positiv aus. Mit dem Eingriff in Bildungs- und Gesundheitschancen im Rahmen von Diagnostik und Intervention sind viele Entwicklungschancen verbunden, weshalb sich die Psychologie einer hohen Nachfrage erfreut. Nicht nur im Bildungswesen, im Themenfeld »Gesundheit und Rehabilitation«, bei psychischen Belastungen am Arbeitsplatz, in der Notfallpsychologie, der Sportpsychologie und in vielen anderen Feldern ist eine hohe Kompetenz sinnvoll und für die erwartete hohe Effektivität erforderlich. Einzelne Klientinnen und Klienten sowie Organisationen verlassen sich dabei auf die hohe Wirksamkeit der Psychologie und die Kompetenz der Anwenderinnen und Anwender. In vielen Ländern wird die Berufsbezeichnung „Psychologin/Psychologe“ als Beleg für Kompetenz verstanden und gesetzlich als vertrauliche Dienstleistung mit Geheimnisschutz gefasst. Die hohe Kompetenz, resultierend aus dem umfangreichen Studium, ist die Basis der Inanspruchnahme der Dienstleistungen und zugleich Garant für positive Wirkungen und Unschädlichkeit.
Vor dem Hintergrund, dass nun im Bereich der Psychotherapie ein Vorschlag vorliegt, der eine Approbation nach einem Studium vorsieht, das sich entweder nicht von einem Studium der Psychologie unterscheidet oder sogar je nach wählbarem fachlichem Angebot psychologisch deutlich geringer ausfällt, stellt sich die Frage der Fairness im versorgungspolitischen Umgang mit Berufs- rechten und Kompetenzprofilen.
Im Hinblick auf die Bedeutung der Psychologie in vielen Anwendungsbereichen erscheint der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher psychologischer Dienstleistungen sinnvoll und notwendig. Vor dem Hintergrund der Regulierung im Bereich der Psychotherapie wäre ein vergleichbarer Schutz in den Bereichen des Gesundheits- und Bildungswesens ebenfalls notwendig und angemessen. Das fünfjährige akademische Studium erfüllt im Hinblick auf die dabei vermittelten Kompetenzen erforderliche Anforderungen in hohem Maße. Die Novellierung des aktuellen Gesetzes bietet die große Chance, dem gesamten Bereich psychologischer Dienstleistungen den vertrauenswürdigen Schutz zu geben, den sie verdienen. Der BDP fordert daher eine gesetzliche Regelung für den Beruf der Psychologin bzw. des Psychologen.
Auch Deutschland braucht ein Psychologinnen- und Psychologengesetz
Psychologische Dienstleistungen umfassen regelhaft intime und persönliche Geheimnisse von Menschen und greifen häufig in Gesundheits-, Bildungs-, und Entwicklungschancen und somit Teilhabemöglichkeiten ein und unterstützen diese bestmöglich. Nicht nur bezogen auf psychische Erkrankungen, sondern auch in vielen anderen Bereichen ist für psychologische Dienstleistungen eine hohe Kompetenz erforderlich. Der Beruf „Psychologin/Psychologe“ ist daher in vielen europäischen Ländern bezüglich des Führens der Berufsbezeichnung und des Ausbildungsumfangs gesetzlich reguliert. Es erscheint als krasses Missverhältnis, wenn einerseits ein „Psychotherapiestudium“ zu einer Approbation führt, andererseits aber das fünfjährige Studium der Psychologie, das zum Beruf „Psychologin/ Psychologe“ führt, keinerlei gesetzlichen Schutz genießt. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich darauf verlassen können, dass die Berufsbezeichnung „Psychologin/Psychologe“ für eine hohe akademische Kompetenz und einen verlässlichen, also strafbewährten Geheimnisschutz steht. Während aktuell der Geheimnisschutz gesetzlich indirekt besteht, ist die aussagekräftige Berufsbezeichnung kontinuierlich gefährdet. Im Zuge der Veränderung der Studienlandschaft nach Bologna ist eine Vielfalt von gemischten Profilen entstanden, die sich dazu berufen fühlen, psychologische Dienstleistungen anzubieten, und sehr gern die entsprechende Berufsbezeichnung verwenden möchten. Hier bedarf es für Klientinnen und Klienten sowie Verbraucherinnen und Verbraucher eines ähnlichen Schutzes, wie er im Bereich der Psychotherapie aktuell vorgesehen ist.
Ebenso wie bei Ärztinnen und Ärzten, Psychotherapeutinnen und -therapeuten, Architektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieuren und anderen geregelten Berufen müssen sich Verbraucherinnen und Verbraucher auf eine Berufsbezeichnung und die dahinterliegenden Kompetenzen verlassen können. Der BDP fordert daher eine gesetzliche Regelung, die das Führen der Berufsbezeichnung „Psychologin/Psychologe“ und zusammengesetzter Formen davon, wie etwa „Gesundheitspsychologin/Gesundheitspsychologe“, „Rehapsychologin/Rehapsychologe“ etc., schützt. Die Sensibilität psychologischer Dienstleistungen macht eine solche Regelung erforderlich. In den meisten europäischen Ländern bestehen Regelungen, und kontinuierlich werden weitere erlassen.
Wesentliche Bestandteile einer gesetzlichen Regelung
Als Orientierungsmaßstab für die Inhalte eines fünf- jährigen Psychologiestudiums kann das europaweit harmonisierte „EuroPsy“-Zertifikat des europäischen Dachverbandes European Federation of Psychologists‘ Associations (EFPA) dienen. Die dort aufgeführten Fächer entsprechen den bisher in Deutschland und anderen europäischen Ländern üblichen Grundlagen- und Anwendungsfächern. Eine gesetzliche Regelung sollte ein Hauptfachstudium in Psychologie auf dem Niveau eines Master-Abschlusses und eine Verpflichtung für eine kontinuierliche Fortbildung sowie auf einen bundesweit geltenden Ethikcode enthalten. Mit einer gesetzlichen Regelung würde daher der Hochschulbereich nicht wesentlich berührt, der Bereich der Inanspruchnahme psychologischer Dienstleistungen aber in adäquatem Umfang geschützt werden.
Fredi Lang
Zuerst erschienen im reportpsychologie 5/2019