PM: Vom Animateur bis zum Butler - Roboter in der Pflege
Felix Carros wird am Landestag der Psychologie in Baden-Württemberg über "Soziale Robotik in der Pflege" berichten und auch Pepper vorstellen. Ob Teilnehmende des Landestages mit Pepper gemeinsam singen oder Bingo spielen dürfen, wird an dieser Stelle noch nicht verraten. Sicher ist: Es wird darüber gesprochen werden, welche Aufgaben der Roboter hat und welche nicht.
Christa Schaffmann: Wie ist der kleine Roboter Pepper entstanden und weiterentwickelt worden?
Felix Carros: Die Entwicklung ist nicht abgeschlossen und wird es womöglich nie sein. Wir haben uns von Anfang an an den Bedürfnissen derer orientiert, die mit ihm arbeiten bzw. kommunizieren sollen. Das sind zu allererst die Pflegebedürftigen, die Pflegefachkräfte und der soziale Dienst in Pflegeeinrichtungen. Hinzu kommen Hersteller von Robotern, Versicherer und politische Entscheidungsträger.
Wo sehen Sie Einsatzmöglichkeiten für Roboter in der Pflege?
Die Einsatzmöglichkeiten sind theoretisch betrachtet sehr groß. Angesichts des Mangels an Pflegepersonal könnte man als erstes an den Ersatz von Arbeitskräften denken. Das war aber nie unser Ansatz. Unser Roboter Pepper ist auch keine Kraftmaschine, die die Patienten aus dem Bett oder Rollstuhl heben kann. Er ist eher ein Assistent, ein Animateur. Als solcher soll er perspektivisch Pflegekräfte entlasten, indem er für die Bewohner als zusätzliche Aktivität dient und so Freiräume für Pflegekräfte schafft; sie hätten damit Zeit für intensive Einzelbedarfen. Des Weiteren könnte ein Roboter durch seine Kameras in Notfällen für eine schnellere Informationsweitergabe sorgen.
Wie stehen Patienten, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte dazu?
Viele wollen keine Kameraüberwachung, vor allem nicht im Schlaf oder im Bad, obwohl gerade dort die größten Risiken bestehen. Sie wollen auch nicht, dass ein Roboter jedes gesprochene Wort überwacht. Die Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen lehnen es ebenfalls ab, dass ihnen permanent ein Roboter auf die Finger schaut. Wir konzentrieren uns im Moment auf den Roboter als Unterhalter. Wir glauben, dass dort das größte Potenzial liegt.
Sie weichen den Widerständen aus?
Nein. Aber schon immer war der Erfolg einer Technologie maßgeblich von der Akzeptanz der Betroffenen abhängig. Außerdem gehen wir davon aus, dass es perspektivisch spezialisierte Roboter geben wird wie es auch Menschen mit bestimmten ganz unterschiedlichen Aufgaben gibt. Unser Pepper war zunächst reaktiv, jetzt versuchen wir ihn proaktiv zu machen. Er hat inzwischen gelernt, mit Patienten zu singen bzw. sie dazu zu animieren, mit ihm Bingo, Memory oder ein Quiz mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zu spielen, sie zum Trinken zu animieren oder zu einem Spaziergang. Ein beliebtes Spiel an einem Tablet, das der Roboter hält, ist zum Beispiel „Hasen fangen“, woraus die Patienten (überwiegend Patientinnen) inzwischen „Männer fangen“ gemacht haben. Das Spiel trainiert die Reaktionsfähigkeit: eine Figur erscheint auf dem Bildschirm und die Patientin muss sie rasch anklicken. Pepper lernt auch, Fragen, die Patienten an ihn richten, zu verstehen und zu beantworten. Das ist angesichts unterschiedlicher Stimmen und Formulierungen noch eine ziemliche Herausforderung. Er soll es perspektivisch schaffen, die Patienten irgendwann zu erkennen und mit ihrem Namen anzusprechen, so dass mit diesen individualisierte Gespräche geführt oder Spiele gespielt werden können.
Das wäre dann so etwas wie ein aktivierender Gesprächspartner?
Genau.
Sie haben über mehrere Jahre wiederholt ein Heim besucht, den Roboter dort vorgestellt, mit Patienten und Beschäftigten den Umgang mit ihm trainiert. Was hat das für beide Seiten gebracht?
Wir haben mehr darüber erfahren, was Patienten benötigen und auf welche unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnisse wir uns einstellen müssen. Umgekehrt war es für Patienten eine Abwechslung und für die Interessierten unter ihnen ein Training.
Wie war das Feedback?
Wir haben dazu keine Studie durchgeführt. Aber wir haben sehr positive Reaktionen erlebt und können sagen: Auch nach wiederholten Besuchen ist Pepper für 60 bis 70 Prozent der Heimbewohner ein willkommener und interessanter Gast.
Sehen die Beschäftigten für sich eine Entlastung?
Gegenwärtig ist das Training mit Pepper eher eine zusätzliche Belastung, weil Personal immer dabei sein muss. Aber perspektivisch versprechen sich die Angestellten durch die Interaktion von Patienten und Pepper, den Spaß daran und durch das positive Gefühl, das er verbreitet, eine Entlastung.
Worin bestehen die nächsten Schritte und zu welcher Traumvorstellung sollen sie am Ende führen?
Ein Ende wird es nicht geben. Mein Traum wäre eine Art Butler für Patienten, ein persönlicher Assistent. Zunächst wollen wir aber die Kommunikation ausbauen. Pepper soll intelligentere Fragen stellen und beantworten können. Wir wollen Verbindungen zu anderen Geräten aufbauen, z.B. zu einer Smartwach. Es soll möglich werden, den Blutdruck zu checken, den Wasserhaushalt eines Patienten zu überprüfen und ihn ggf. zum Trinken anzuregen. Ein Schrittzähler soll mit dem Roboter verbunden werden, so dass er zu Spaziergängen animieren kann, wenn der Patient sich lange nicht bewegt hat.
Hat die Frage nach Datensicherheit bisher eine Rolle gespielt oder erwarten Sie das spätestens, wenn die zuletzt erwähnten Anwendungen Wirklichkeit werden?
Bei den Patienten kaum, beim Personal und bei den Angehörigen schon. Wir sind gegenwärtig nicht mit dem Internet verbunden. Für Anwendungen, die das voraussetzen, müssen wir in jedem Fall für Transparenz sorgen. Sonst bekommen wir Probleme. Das haben wir als Entwickler, aber auch die Ethikkommission der Uni im Blick. Da wir den Roboter gegenwärtig in einer katholischen Einrichtung testen, ist auch der Ethikbeauftragte der Katholischen Kirche bereits auf uns zugekommen.
Die Angst, dass Maschinen Menschen die Arbeit wegnehmen ist seit 200 Jahren verbreitet. Begegnen Sie dieser Sorge auch in Bezug auf den kleinen Roboter?
Es trifft ja zu, dass viele Stellen in der Vergangenheit aufgrund technischen Fortschritts verloren gegangen sind. Das gilt auch heute für autonome Systeme in der Industrie, in der Logistik und vielen anderen Bereichen, in denen die Technik nicht dem Menschen dient, sondern ihn ersetzt. Insofern ist die Sorge nachvollziehbar. Was unseren Roboter betrifft halte ich sie jedoch für absurd. Dieser Gedanke begegnet uns regelmäßig. Unser menschliches Handeln ist jedoch so komplex – das kann der Roboter nicht. Wir können ihn einzelne Dinge lehren: eine Person zu erkennen, etwas zu ihr sagen, sie etwas zu fragen, aber das ist noch lange keine zwischenmenschliche Kommunikation mit all ihren Nuancen. Woraus die tatsächlich besteht und welche Bedeutung diese unterschwellig ablaufenden Vorgänge haben, das wird häufig unterschätzt.
Haben Sie in diesem Kontext je mit Psychologen zusammengearbeitet?
Nein, bisher nicht. Wir bauen Prototypen. In dieser Phase bestand die Notwendigkeit noch nicht. Allerdings habe ich im Rahmen meiner Arbeit an der Universität einmal einen Psychologen interviewt. Dabei ging es u.a. um die Frage, ob Roboter Menschen gegen die Einsamkeit helfen könnten. Seine Antwort kann ich nicht mehr detailliert wiedergeben, aber ich habe verstanden, dass die Kommunikation mit einem Roboter niemals die mit einem Menschen ersetzen kann; im schlimmsten Fall könnte die Einsamkeit sogar zunehmen, weil die Person das Kommunizieren mit Menschen gänzlich verlernt. Dieses Gespräch war prägend für meine weitere Arbeit.
Worin bestehen die größten Herausforderungen oder auch Hürden bei der Weiterentwicklung von Pepper?
Wir haben ein Ressourcenproblem; viele Anwendungsfälle müssen noch entwickelt werden. Dazu fehlt es nicht nur an Personal, es braucht auch Softwarelizenzen, und die Hardware muss weiterentwickelt werden. Forschungsbedarf existiert auch in andere Richtungen, z.B. inwiefern ein solches Gerät in die Arbeitsprozesse eines Altenheimes integriert werden kann oder wie dieser technologische Wandel in der Aus- und Weiterbildung von Pflegepersonal verankert werden kann.
Das Gespräch führte Christa Schaffmann.