BDP fordert Umsetzung gesetzlich vorgegebener Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung (DK 1/2023 des BDP e.V.)
Resolution
Arbeitgebende suchen momentan nach Möglichkeiten, psychischen Beschwerden und entsprechenden Fehlzeiten entgegenzuwirken. Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung einen der wirksamsten Ansätze zum Gegensteuern darstellt. Mit diesem systematischen Vorgehen werden gesundheitsgefährdende Belastungsfaktoren erkannt und Arbeitsprozesse gezielt verbessert. Dies dient der Leistungsfähigkeit des Unternehmens ebenso wie der Gesundheit der Beschäftigten.
Gesetzlich sind Arbeitgebende bereits verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung über psychische Belastung am Arbeitsplatz durchzuführen. Mit der Novellierung des Arbeitsschutzgesetzes im Jahr 2013 wurde dieses auch interpretationsfrei im Gesetzestext verankert (§ 5 Arbeitsschutzgesetz). Aber auch 10 Jahre später ist die Umsetzungsquote in den Unternehmen noch gering: Nur geschätzt 20 % der Arbeitgebenden haben die psychische Belastung angemessen in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt.
Der Zusammenhang zwischen psychischer Belastung durch ungünstig gestaltete Arbeitsmerkmale und psychischen als auch körperlichen Erkrankungen ist schon seit langem empirisch gut belegt. Psychische Erkrankungen sind bereits seit vielen Jahren mit Abstand die häufigste Ursache für Frühberentungen. Bei der Verursachung von AU-Tagen rangieren psychische Erkrankungen an zweithäufigster Stelle. Der aktuelle „PsychReport“ 2023 der DAK zeigt hier einen erneuten Höchstwert mit größtem Anstieg v.a. bei jüngeren Erwachsenen.
Eine qualifiziert durchgeführte Gefährdungsbeurteilung mit betrieblichen Maßnahmen zum Abbau ungünstig gestalteter Belastungsfaktoren kann verhindern, dass arbeitsbezogene Faktoren die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigen und zu einer Zunahme von Fehlzeiten führen.
Der Berufsverband BDP fordert Arbeitgebende auf, den gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung durchzuführen und Arbeitsbedingungen im Sinne der Gesundheitsprävention anzupassen.
Der Gesetzgeber sollte sicherstellen, dass durch die für den Arbeitsschutz zuständigen Landesbehörden bzw. die Unfallversicherungsträger eine fachkundige Kontrolle der Um-setzung einschlägiger Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt wird.
Die derzeit bestehende Regelungslücke bezüglich der konkreten Umsetzung der Gefähr-dungsbeurteilung beim Thema psychische Belastung sowie fehlende Grenzwerte sorgen für Unsicherheiten - sowohl bei Arbeitgebenden als auch bei den Aufsichten. Das Fehlen einer Regel bzw. Verordnung wird ebenfalls als ein Grund für die zögerliche Umsetzung gesehen. Bund und Länder haben in der letzten Zeit Anstrengungen unternommen, diese Regelungslücke zu schließen: Die Einrichtung einer Expert*innen-Gruppe der Länder, die Aufnahme des Themas in den Ausschuss für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (ASGA) sowie die Einrichtung einer Projektgruppe des ASGA sind positive und wichtige Schritte. Die Entwicklung einer Regel, die Vereinheitlichung der bestehenden Regelwerke und Prüfung der Möglichkeiten einer Verordnung sind wesentliche Prozesse, um derzeitige Unsicherheiten zu reduzieren und mehr Verbindlichkeit zu erzeugen. Der Berufsverband BDP unterstützt diese Entwicklungen ausdrücklich. Als Psycholog*innen bieten wir unsere Expertise an und unterstützen alle Beteiligten, gesunde Arbeitsbedingungen zu gestalten, die letztlich in mehr wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und reduzierten krankheitsbedingten Kosten münden.
Kontakt:
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.
Vorstand
Telefon: 030 / 209 166 612
E-Mail: sekretariat@bdp-verband.de
Web: www.bdp-verband.de
Quellen:
Psychreport 2023 | DAK-Gesundheit
Beck, D., Lenhardt U., 2019 Consideration of psychosocial factors in workplace risk assessments: findings from a company survey in Germany. Int. Archives of Occupational and Environmental Health 2019 92.435-451.
Angerer, P., Siegrist, K. & Gündel, H. (2014). Psychosoziale Arbeitsbelastungen und Erkrankungsrisiken: Wissenschaftliches Gutachten (Expertise) im Auftrag des Landesinstituts für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. In Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Erkrankungsrisiken durch arbeitsbedingte psychische Belastung.: transfer 4.
Rau, R. & Buyken, D. (2015). Der aktuelle Kenntnisstand über Erkrankungsrisiken durch psychische Arbeitsbelastungen. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie A&O, 59(3), 113–129. doi.org/10.1026/0932-4089/a000186