Stellungnahme des BDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) vom 17.06.2024

Stellungnahme

Berlin, den 10.07.2024

Vorbemerkungen
Mit einem Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune – kurz Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) – sollte ursprünglich das übergeordnete Ziel verfolgt werden, dass Menschen überall in Deutschland die gleichen Chancen auf Beratung, Prävention und medizinische Versorgung erhalten.

Die jetzt vorliegende Fassung des Gesetzentwurfs vom 17.06.2024 definiert die Ziele schon deutlich bescheidener. Die Intention, die Gesundheitsversorgung mehr an den Bedürfnissen der Patient*innen auszurichten und kommunale Bedarfe zu berücksichtigen, ist und bleibt aus psychologischer bzw. psychotherapeutischer Sicht begrüßenswert. Jedoch umfasst der Entwurf in seiner jetzigen Fassung bezüglich der psychischen Gesundheit der Bevölkerung nur einen Bruchteil dessen, was im Koalitionsvertrag angekündigt war.

Um die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland effizient und ressourcenschonend zu verbessern, bedarf es eines Blickes auf die Versorgungslandschaft als Ganzes sowie auch auf besonders problematische Regionen. Neben der geplanten gesonderten Bedarfsplanung für Kinder und Jugendliche muss jedoch die Wartezeiten-Situation von erwachsenen Betroffenen in den Blick genommen werden. Um die psychotherapeutische Versorgung langfristig sichern zu können, muss außerdem die Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung endlich solide geregelt werden.

Grundsätzlich gilt der Grundsatz „ambulant vor stationär“, wo immer dies die gesundheitliche Situation der Patient*innen zulässt. Dies entspricht nicht nur den Wünschen der Betroffenen, sondern schont auch die ohnehin schon angespannte Finanzsituation der Krankenkassen.

1. Wartezeiten verkürzen – Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie

Die Länge der Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz ist regional sehr unterschiedlich. Der Verband begrüßt das Vorhaben der Einführung einer eigenen Bedarfsplanungsgruppe für Leistungserbringer*innen für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen. Hier können Parameter wie die Entfernung zwischen Wohnort und Praxis berücksichtigt und dem Bedarf an zusätzlichen Niederlassungsmöglichkeiten Rechnung getragen werden. Wichtig ist dabei, dass nicht nur die Planungsbezirke verändert werden, sondern sich die Bildung der Verhältniszahlen für diese neue Arztgruppe am realen Bedarf der Gegenwart und nicht an veralteten Ist-Werten orientieren. Ein gewisser Anteil von ärztlichen Psychotherapeut*innen ist in diesem Zusammenhang zwar grundsätzlich wünschenswert, die Festschreibung einer festen Quote könnte jedoch zu vakanten Kassensitzen und damit erneut zu Engpässen in der Versorgung führen.

2. Wartezeiten verkürzen – Psychotherapie für Erwachsene

Die Schaffung eines neuen Ermächtigungstatbestandes zur psychotherapeutischen und psychi-atrischen Behandlung von Patient*innen, die aufgrund persönlicher und sozialer Lebensum-stände einen erschwerten Zugang zur Versorgung haben, ist ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung. Um die psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung zu sichern, braucht es jedoch in einem weiteren Schritt auch Lösungen zur Schließung von Versorgungslücken von erwachsenen Patient*innen in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Die Zahlen der Bedarfsplanungsrichtlinie sind historisch gewachsen und bilden den realen Bedarf vielerorts nicht ab, hier bedarf es ebenfalls einer Anpassung. Die zukünftige Berechnung von Kassensitzen muss sich am realen Bedarf der Gegenwart orientieren.

Im aktuellen Gesetzentwurf werden einige Vorschläge gemacht, die dem Bürokratieabbau im Rahmen der Psychotherapie dienen. Die Zusammenfassung der Kurzzeittherapie (KZT) 1 und 2 ist dabei ein begrüßenswerter Schritt. Der Wegfall des Konsiliarberichts bei Vorliegen einer Überweisung ein weiterer, jedoch sollte letzteres auch der Fall sein, wenn der Aufnahme der Psychotherapie eine Krankenhausbehandlung vorangegangen ist, in deren Rahmen regelhaft eine somatische Abklärung erfolgt. Nichtsdestotrotz werden beide Maßnahmen zwar für gewisse Einsparungen im administrativen Bereich sorgen, die psychotherapeutischen Versorgungslücken jedoch nicht schließen können.

3. Transparenz und Berücksichtigung von Psychotherapie gemäß § 13 Abs. 3 SGB V

Die Bundesregierung schlägt im vorliegenden Entwurf vor, dass das Bundesministerium für Ge-sundheit zukünftig jährlich Informationen über die Erfüllung von Vertragsärzt*innen und Psychotherapeut*innen erhält. Nicht vergessen werden darf in diesem Kontext, dass die Versorgung psychisch erkrankter Menschen neben der Behandlung in Kassenpraxen aufgrund Systemversagen auch in Privatpraxen im Rahmen der außervertraglichen Psychotherapie (sog. „Kostenerstattungsverfahren“) erfolgt. Da die Krankenkassen die Daten über erfolgte außervertragliche Psychotherapien nicht offenlegen (müssen), ist unklar, in welchem Umfang hier Versorgung stattfindet und Versorgungspotenzial innerhalb der offiziellen GKV-Versorgung freigesetzt werden könnte. Es bedarf einer Konkretisierung der bestehenden Rechtsgrundlage sowie der Offenlegung der Daten über den Umfang der im Rahmen der außervertraglichen Psychotherapie erfolgten Behandlungen durch die Krankenkassen.

4. Gute Versorgung ist vernetzte Versorgung

Insbesondere in strukturschwachen Gebieten haben Menschen es schwer, einen Psychothera-pieplatz zu finden. Insbesondere wenn es sich um schwer erkrankte Menschen handelt, für deren effiziente Versorgung mehr als eine Berufsgruppe vonnöten wäre, handelt es sich oftmals um ein nahezu aussichtsloses Unterfangen.

Eine vermeintliche Lösung dieses Problems war die Einführung der Komplexversorgung gemäß KSV-Psych-Richtlinie. Allerdings steht diese längst nicht überall zur Verfügung, da die Hürden aufseiten der Versorgenden hoch sind und Versorgungslücken auch mit innovativen Konzepten kaum ausgeglichen werden können. Auch erfüllen viele Patient*innen die Zugangskriterien nicht oder benötigen nicht den vollen Umfang der aufwendigen Komplexversorgung, würden jedoch von einer besser koordinierten Versorgung sehr profitieren. Mit der Idee der Gesundheitsregionen wäre man der Idee ein Stück weit nachgekommen, für mehr Menschen eine gute, vernetzte Versorgung zu schaffen und dabei den öffentlichen Gesundheitsdienst miteinzubeziehen. Aller-dings wäre es dabei auch bei regionalen Projekten geblieben, die es im psychiatrisch-psychotherapeutischen Bedarf als Pilotprojekte bereits gab.

Eine kurzfristige, effiziente und überfällige Lösung ist die Schaffung grundsätzlicher Schnittstellen zwischen den Sektoren sowie die Möglichkeit, sich zwischen den Behandler*innen fallbezogen im Bedarfsfall koordinieren zu können − und das flächendeckend in der Regelversorgung. Erste Schritte wurden hier für die psychotherapeutische Versorgung gemacht, als 2021 mit dem Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz eingeführt wurde, dass probatorische Sitzungen während eines Klinikaufenthaltes durchgeführt werden können. Um einen Austausch unter den Behandelnden auch außerhalb der Komplexversorgung zu ermöglichen und Behandlung so effizienter gestalten zu können, benötigt es hierfür außerdem die Schaffung entsprechender Strukturen und Vergütungsmöglichkeiten.

5. Nachwuchs sichern

Aktuell besteht zwar noch kein akuter Fachkräftemangel, mittelfristig ist es jedoch nötig, dass gut qualifizierter Nachwuchs nachrückt. Dies ist allerdings in Gefahr, denn mit dem Psychotherapie-Ausbildungsreformgesetz wurde 2019 zwar die psychotherapeutische Aus- und Weiterbildung neu geregelt, jedoch wurde dabei die Finanzierung vergessen! Sowohl für Psychotherapeut*innen in Ausbildung, die es bis mindestens 2032 geben wird, als auch für Psychotherapeut*innen in Weiterbildung gemäß PsychThAusbRefG muss die Finanzierung gesichert werden – sonst waren nicht nur alle Ausbildungsreformbemühungen vergebens, sondern es gibt auch schon bald einen Fachkräftemangel im Bereich der Psychotherapie.

Es ist sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung mit einem ersten Vorstoß im gegenwärtigen Entwurf diese Notwendigkeit anerkennt und berücksichtigt, dass die Weiterbildung in hauptberuflichem Anstellungsverhältnis absolviert wird. Durch die vorgeschlagenen Änderungen in §117 Absatz 3b SGB V sind dafür für den Bereich der Weiterbildungsambulanzen erste Weichen gestellt. Positiv ist auch die Verortung der Weiterbildungsambulanzen in §120 Absatz 2 SGB V, jedoch nicht die aus den geplanten Änderungen resultierenden Einschränkungen, dass Lerninhalte wie Supervision, Selbsterfahrung und Erwerb von Fachkenntnissen, die im Rahmen der Weiterbildung erbracht werden müssen, bei den Vergütungsverhandlungen nicht berücksichtigt werden können. Auch der Bundesrat weist auf diese Problematik hin.

Die psychotherapeutische Weiterbildung findet außerdem auch im stationären Bereich, in Praxen und medizinischen Versorgungszentren statt, die Regelung der Finanzierung dieser Weiterbildungsbereiche wurde bisher nicht berücksichtigt. Notwendig sind einheitliche, verbindliche bundesgesetzliche Vorgaben. Ohne eine ausreichende finanzielle Förderung aller Weiterbildungsbereiche kann die psychotherapeutische Versorgung in Deutschland nicht gesichert werden.

Zum aktuellen GVSG-Referentenentwurf im Einzelnen

Ad 1) Zu § 101 Abs. 4a SGB V-RefE wird folgende Verbesserung vorgeschlagen:
„Psychotherapeutisch tätige Ärzte und Psychotherapeuten, die überwiegend oder ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch betreuen, bilden ab dem [Datum] eine Arztgruppe im Sinne des Absatzes 2. Der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad ist für diese Arztgruppe erstmals zum Stand vom 31. Dezember 2023 zu ermitteln. Der Gemeinsame Bundes-ausschuss hat die neuen Verhältniszahlen bis zum [Datum] zu beschließen. In den Richtlinien nach Absatz 1 kann der Gemeinsame Bundesausschuss Mindestversorgungsanteile für überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätige Ärzte sowie innerhalb dieser weitere nach Fachgebieten differenzierte Mindestversorgungsanteile aus Versorgungsgründen vorsehen. Ein Mindestversorgungsanteil für bestimmte Untergruppen ist nicht möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann für diese Arztgruppe eine im Vergleich zu anderen Arztgruppen abweichende Berechnungsmethode festlegen; insbesondere ist die Bildung einer Verhältniszahl auf Basis der Veränderung der in der gesamten vertragsärztlichen Versorgung festgestellten psychischen Morbidität möglich. Sofern die nach bisherigem Stand der Richtlinie nach Absatz 1 übliche Berechnungsmethode angewandt wird, dürfen bei der Berechnung der allgemeinen Verhältniszahl keine Daten vor 2020 zugrunde gelegt werden. Der Landesausschuss hat die Feststellungen nach § 103 Absatz 1 Satz 1 erstmals zum Stand vom [Datum]…..zu treffen.“

Ad 2) Zur Verkürzung der Wartezeiten bei Erwachsenen wird vorgeschlagen, in § 101 SGB V folgenden Absatz 4b neu einzufügen:

Für die verbleibende Arztgruppe psychotherapeutisch tätiger Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen, die überwiegend oder ausschließlich Erwachsene psychotherapeutisch betreuen, ist der bedarfsgerechte Versorgungsgrad unter Berücksichtigung aktueller Versorgungsforschung sowie außervertraglich erbrachter Leistungen insbesondere gemäß § 13 Abs. 3 SGB V neu zu ermitteln. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die neuen Verhältniszahlen bis zum [Datum] zu beschließen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann für diese Arztgruppe eine im Vergleich zu anderen Arztgruppen abweichende Berechnungsmethode festlegen; insbesondere ist die Bildung einer Verhältniszahl auf Basis der Veränderung der in der gesamten vertragsärztlichen Versorgung festgestellten psychischen Morbidität möglich. Sofern die nach bisherigem Stand der Richtlinie nach Absatz 1 übliche Berechnungsmethode angewandt wird, dürfen bei der Berechnung der allgemeinen Verhältniszahl keine Daten zugrunde gelegt werden, die älter als zwei Jahre sind.

Ad 3) Um Transparenz über den Umfang der außervertraglich erbrachten Versorgung zu schaffen, wird vorgeschlagen, § 13 Abs. 3 Satz 3 SGB V neu um folgenden Halbsatz zu erweitern:

; der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesund-heit zum 1. Oktober eines Jahres schriftlich jeweils bezogen auf den räumlichen Zuständigkeitsbereich jeder Kassenärztlichen Vereinigung die Anzahl der abgelehnten Anträge auf Psychotherapie gemäß der Psychotherapie-Richtlinie, die Anzahl der nach §13 Abs. 3 Satz 3 SGB Vbewil-ligten Anträge sowie des Honorarvolumens pro Kalenderjahr.

Ad 4) Für eine besser vernetzte Versorgung wird vorgeschlagen, § 92 Abs. 6a SGB V folgendermaßen zu ergänzen:

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche psychotherapeutische Sprechstunden sowie probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Insbesondere im Rahmen der Entlassungsvorbereitung sind bei laufender psychotherapeuti-scher Behandlung auch die Wahrnehmung von psychotherapeutischer Akutbehandlung oder Richtlinienpsychotherapie möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in einer Er-gänzung der Richtlinie nach Satz 1 Regelungen zur Förderung des berufsgruppen- und sektorenübergreifenden Austauschs innerhalb der psychotherapeutischen Regelversorgung. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen An-forderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. […]

Ad 5) Um den psychotherapeutischen Nachwuchs zu sichern, werden folgende einzelne Veränderungen neu im Gesetzestext vorgeschlagen:

Der gemäß Änderung in Artikel 1 Nr. 18 Buchstabe d) eingefügte Satz 4 in § 120 Absatz 2 SGB V ist zu streichen: „Die Vergütung der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung in den Weiterbildungsambulanzen soll in Abstimmung mit Entgelten für vergleichbare Leistungen erfolgen; für die Bestimmung einer wirtschaftlichen Betriebsführung der Weiterbildungsambulan-zen sind nur die Leistungen berücksichtigungsfähig, für die der Zulassungsausschuss eine Ermächtigung erteilt hat und die gegenüber Versicherten erbracht werden.“

Zur Finanzierung der Weiterbildung wird vorgeschlagen, § 120 Abs. 2 SGB V d) wie folgt zu fassen: Die Leistungen der Hochschulambulanzen, der Ambulanzen der Weiterbildungsstätten nach § 117 Absatz 3b, der psychiatrischen Institutsambulanzen, der sozialpädiatrischen Zentren und der medizinischen Behandlungszentren werden unmittelbar von der Krankenkasse vergütet. Die Ambulanzen der Weiterbildungsstätten erhalten eine Vergütung für die einzelnen Leistungen, die in Abstimmung mit dem Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab gemäß § 87 Absatz 2 Satz 1 vereinbart werden. Die Vergütung muss eine im Krankenhaus übliche Entlohnung der Weiterbildungsteilnehmenden ermöglichen und ist auf der Grundlage eines angemessenen Anteils der Leistungszeit an der Arbeitszeit der Weiterbil-dungsteilnehmenden zu bestimmen, der über die gesamte Dauer der ambulanten Weiterbildung im Durchschnitt 50 Prozent nicht überschreiten darf. Die Vergütung wird von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Hochschulen oder Hochschulkliniken, den Weiterbildungsstätten, den Krankenhäusern oder den sie vertretenden Vereinigungen im Land vereinbart; […]“

§ 75a SGB V wird um folgenden Absatz 10 ergänzt:

(10) Für die psychotherapeutische Versorgung sind bundesweit 1.500 Weiterbildungsstellen zur Durchführung der ambulanten Weiterbildung in Betriebsstätten von zugelassenen Psychotherapeut*innen und Medizinischen Versorgungszentren, davon 300 Weiterbildungsstellen für das Gebiet der Psychotherapie für Kinder und Jugendliche und 75 Weiterbildungsstellen für das Gebiet Neuropsychologische Psychotherapie, zu fördern. Die Zählung der Stellen wird auf Basis der geförderten Vollzeitäquivalente durchgeführt. Die Absätze 1 und 4 bis 8 gelten mit der Maßgabe entsprechend, dass das Nähere über den Umfang und die Durchführung der finanziellen Förderung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart wird und das Benehmen nach Absatz 4 Satz 3 mit der Bundespsychotherapeutenkammer herzustellen ist.

§ 3 Absatz 3 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) soll wie folgt geändert werden: (3) Für die Jahre ab 2020 ist für ein Krankenhaus ein Gesamtbetrag nach den folgenden Vorgaben zu ver-einbaren; Besonderheiten der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sind zu berücksichtigen. Ausgangsgrundlage für die Vereinbarung des Gesamtbetrags für das Jahr 2020 ist der nach Absatz 2 vereinbarte Gesamtbetrag für das Jahr 2019. In den Folgejahren ist Ausgangsgrundlage der für das jeweilige Vorjahr vereinbarte Gesamtbetrag. Bei der Vereinbarung sind insbesondere zu berücksichtigen: […], 8. die Personalkosten der nach Maßgabe des § 2 Psychotherapeutengesetz approbierten Psychotherapeutinnen oder Psychotherapeuten für die Dauer der Weiterbildung, soweit diese in tarifvertraglicher Höhe vergütet werden.

§ 27 Abs. 4 PsychThG wird folgendermaßen geändert: (4) Wer sich nach dem 31. August 2020 in einer Ausbildung zum Beruf der Psychologischen Psychotherapeutin, des Psychologischen Psychotherapeuten, der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin oder des Kinder- und Ju-gendlichenpsychotherapeuten nach dem Psychotherapeutengesetz in der bis zum 31. August 2020 geltenden Fassung befindet, erhält vom Träger der Einrichtung, in der die praktische Tä-tigkeit nach § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten oder nach § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten absolviert wird, für diese Tätigkeit eine Vergütung entsprechend des Grundberufs, ggf. gemäß Tarifvertrag. (folgendes zu streichen: in Höhe von mindestens 1 000 Euro, sofern die praktische Tätigkeit in Vollzeitform abgeleistet wird. Wird die praktische Tätigkeit in Teilzeitform abgeleistet, reduziert sich die Vergütung entsprechend.)

Gute Ansätze des ersten, inzwischen obsoleten Referentenentwurfs fortsetzen

Falls die Bundesregierung plant, die in der Vorfassung vom 31.03.2024 aufgeführten Vorhaben doch noch umzusetzen, möchten wir folgendermaßen kommentieren:

6. Niedrigschwelliger Zugang zur Versorgung

Die ursprünglich geplanten Konzepte der Gesundheitskioske und Primärversorgungszentren würden einen niedrigschwelligen Zugang zur Versorgung dort ermöglichen, wo die Sozialstruktur und/oder Infrastruktur sonst unzureichend sind. Für die Versorgung psychisch Erkrankter wird mit deren Streichung eine Chance vertan, etwaige Versorgungsbedarfe der Gruppen zu identifizieren, die sonst nur schwer erreicht werden können.

Mit dem Angebot der Gesundheitskioske soll insbesondere in sozialschwächeren Regionen ein niedrigschwelliger Zugang zur Gesundheitsversorgung mit umfangreichen Beratungs-, Vermittlungs- und Präventionsangeboten unter Leitung einer Pflegefachkraft geschaffen werden. Das Konzept klingt vielversprechend, jedoch ist noch unklar, inwieweit hier Doppelstrukturen zum bestehenden GKV-System entstehen, dazu sollte neben der Evaluation während der Durchfüh-rung bereits die zuständige Kassenärztliche Vereinigung einbezogen werden. Da es sich bei den definierten Aufgaben von Gesundheitskiosken überwiegend um genuine Tätigkeiten von Klini-schen Psycholog*innen handelt, sollten diese aktiv in die Entwicklung der Gesundheitskioske einbezogen werden. Zur Gestaltung einer bedarfsorientierten und effektiven Gesundheitsförde-rung ist die Berücksichtigung psychologischer Faktoren äußerst bedeutsam, eine medizinische bzw. auf Störungen gerichtete Perspektive allein ist hier nicht ausreichend. Wir regen an, durch die professionelle Einbindung der Psychologie effektive Konzepte aus den Anwendungsfeldern der Psychologie, beispielsweise Gesundheitspsychologie, Gemeindepsychologie, Sozialpsychologie, Rehabilitationspsychologie Gerontopsychologie und Neuropsychologie zu nutzen und so die konzeptionellen Ziele zu verfolgen.

Mit der Einführung von Gesundheitsregionen käme man der Idee nach, einzelne Versorgungsangebote und den öffentlichen Gesundheitsdienst regional miteinander zu vernetzen. Das ist grundsätzlich sinnvoll und begrüßenswert, insbesondere weil anders als in einigen Pilotprojekten der öffentliche Gesundheitsdienst regelhaft Teil des Netzwerks ist. Wie im Bereich der Gesundheitskioske ist auch an dieser Stelle die fachlich sinnvolle Berücksichtigung der psychologischen und sozialen Faktoren von Gesundheit nicht ausreichend dargestellt. Eine Einbindung psychologischer Profile, insbesondere der Gesundheitspsychologie und der klinischen Psychologie, erscheint dringend erforderlich.

7. Expertise berücksichtigen

Die ursprünglichen Pläne, dass im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mehr Interessensvertreter*innen gestärkt werden und Mitsprachemöglichkeiten ausgebaut werden sollen, begrüßen wir ebenso, wie dass Entscheidungen dort beschleunigt werden sollen. Wir verstehen uns als eine dieser Interessensgruppen, aber nicht nur als Interessensvertretung, sondern auch als Expert*innen, die den Prozess der Modernisierung und Verbesserung des Gesundheitswesens insbesondere mit Blick auf psychische Erkrankungen mitgestalten können und wollen. Neben der Beteiligung der Gruppe der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der Aufführung einzelner Berufsgruppen im Hinblick auf Stellungnahme- und Mitspracherecht regen wir an, die Psychologie mit ihren Beiträgen in die Gestaltung der psychischen Versorgung psychisch Erkrankter intensiver einzubinden, unter anderem in den Themenbereichen Soziotherapie und Rehabilitation.
 

Ihre Ansprechperson:

Dr. Johanna Thünker
E-Mail: thuenker@vpp.org

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Kategorien:
Stellungnahme
Berufspolitik
Schlagworte:
Psychologie und Gesundheit
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