BDP-Stellungnahme zur Komplexversorgung schwer psychisch Erkrankter: ein Schritt in die richtige Richtung, aber noch viel Handlungsbedarf!

Der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) begrüßt in der neuen G-BA-Richtlinie zur Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen mit komplexem Behandlungsbedarf die Intention der Optimierung der Zusammenarbeit aller Berufsgruppen und Organisationen bei der Hilfeleistung für psychisch erkrankte Menschen zum Wohle der Betroffenen. Gleichzeitig bemängelt der Verband vor allem die Schwerpunktsetzung auf medikamentöse Behandlungsformen.

Der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat eine neue Richtlinie zur Verbesserung der Versorgung psychisch kranker Menschen „mit komplexem Behandlungsbedarf“ erarbeitet, die am 18.12.2021 als Gesetzentwurf zum SGB V (§92 Abs. 6b) verabschiedet wurde. Ab 01.10.2022 soll diese, mit entsprechenden neuen Abrechnungsziffern der Kassenärztlichen Vereinigung ergänzt, umgesetzt werden.

Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die Versorgung psychisch schwer erkrankter Menschen verbessert werden soll. Ein wesentlicher Schritt zur Optimierung der Ausgangslage ist die Änderung dahingehend, dass verschiedene Behandlungsformen gleichzeitig möglich sein und von verschiedenen Behandelnden angeboten werden können. Positiv zu bewerten ist, dass zwischen den unterschiedlichen Leistungserbringenden eine Pflicht zur wechselseitigen Konsultation und zur Teilnahme an gemeinsamen Fallkonferenzen besteht, was sogar vergütet wird (zumindest für die SGB V-Behandler). Auch dass Kliniken und ihre Institutsambulanzen als gleichberechtigte Teilnehmende in die Netzwerke einbezogen werden, ist zu begrüßen. Damit fällt wohl auch ihr bisheriger Anspruch auf Ausschließlichkeit der Behandlung weg. Das sind klare Fortschritte.

Jedoch legt die gesamte Richtlinie einen nicht mehr zeitgemäßen Schwerpunkt auf die medizinische (d.h. medikamentöse) Behandlung und deren kontinuierliche Anpassung. Zudem erhält laut BDP die Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit der Betroffenen zu wenig Beachtung, die als gleichberechtigter Verhandlungspartner/in betrachtet werden sollten. Ganz außer Acht gelassen wird die Überbrückung der Kluft zwischen den Zuständigkeiten von SGB V und SGB IX für sozialpsychiatrische Einrichtungen wie Betreutes Wohnen oder Tagesstätten, die als soziale Einrichtungen gelten (und bisher nur so finanziert werden), die aber bei einer psychotherapeutisch geleiteten milieutherapeutischen Konzeption durchaus therapeutische Valenz haben, die aber in der Versorgung schwer psychisch erkrankter Menschen eine erhebliche Rolle spielen. Auch das Abrechnungssystem wird um einiges komplizierter, und es berücksichtigt (natürlicherweise) nur die als Krankenbehandlung definierten Leistungen. Der Rest bleibt ungeregelt.

Daher empfiehlt der BDP dringend die Überarbeitung der Richtlinie dahingehend, dass die Hilfsangebote von unterschiedlichen Therapien (nach SGB V) einfacher und fallbezogen mit Formen der Eingliederungshilfe (SGB IX), ambulanten Pflege, Rehabilitation, beruflichen Eingliederung usw. einfacher kombiniert werden. Dabei müsste namentlich auch die aktive Mitgestaltung durch Selbsthilfe-Gruppen und -Organisationen deutlich stärker berücksichtigt und gefördert werden. Das wäre überdies für die Akzeptanz der Angebote seitens der Betroffenen ein wesentlicher Faktor. Man denke hier z.B. an die Möglichkeit alternativer Krisendienste inkl. Krisenpensionen, bei denen betroffene Krisenbegleiter eine zentrale Rolle spielen könnten. Als fachlicher Experte steht der Verband jederzeit für Gespräche bereit und berät gerne.

Ansprechpartner:

Dipl.-Psych. Martin Urban  

Sprecher der Fachgruppe Psychiatrie
Sektion Klinische Psychologie
presse@bdp-verband.de

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Stellungnahme
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