Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte gegen Zwangsmitgliedschaft

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 11. Januar 2006 entschieden, dass ein Verstoß gegen das Recht auf negative Vereinigungsfreiheit vorliegt, wenn ein Arbeitgeber die Beschäftigung eines Arbeitnehmers davon abhängig macht, dass der Arbeitnehmer Mitglied in einer bestimmten Organisation ist. In dem vorliegenden Fall - Sorensen und Rasmussen gegen Dänemark - hatte ein dänischer Arbeitgeber von seinen Arbeitnehmern gefordert, Mitglied in einer Gewerkschaft zu werden, da er selbst einen Vertrag mit der Gewerkschaft abgeschlossen hatte, der vorsah, dass alle Arbeitnehmer Mitglieder sein müssen (sog. closed-shop agreement).

Die Arbeitnehmer hatten sich gegen die Zwangsmitgliedschaft gewehrt, da sie sich mit den politischen Ziele der Gewerkschaft, bzw. der politischen Parteien, die von der Gewerkschaft finanziert werden, nicht identifizieren können.

Der Gerichtshof entschied, dass der Schutz der Meinungsfreiheit das Recht der positiven und negativen Vereinigungsfreiheit voraussetzt. Im Rahmen der vorgenommenen Interessenabwägung zwischen dem Recht der Kläger, nicht Mitglied in einer Gewerkschaft sein zu müssen und der Notwendigkeit, den Bestand der Gewerkschaften und des Tarifsystems zu sichern, überwogen die Klägerinteressen. Die Gewerkschaften könnten, wie auch aus der Praxis in den anderen Vertragsstaaten der EMRK ersichtlich, auch ohne Zwangsmitgliedschaft bestehen.
Der Gerichtshof schloss allerdings nicht aus, dass die Pflichtmitgliedschaft in einer Gewerkschaft nicht in jedem Fall gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße (S. 24).

Gegenstand der Erörterung im nächsten Arbeitskreis "Europa" wird u.a. auch Reichweite dieses Urteils in Bezug auf die Pflichtmitgliedschaften in Berufskammern sein.

Der EGMR ist Teil des von der Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vorgesehenen Kontrollsystems. Die EMRK ist gegenwärtig von 45 Mitgliedern des Europarats - inklusive aller EU-Mitgliedstaaten - ratifiziert worden. Seit längerem wird auch der Beitritt der EU zur EMRK erörtert. Art. 6 II EUV verpflichtet die EU zur Achtung der EMRK-Grundrechte, diese sind dadurch auch Teil der Kontrolle durch den EuGH.
Zur Frage der Verbindlichkeit der Entscheidungen des EGMR hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass deutsche Gerichte und Behörden die Urteile des EGMR stets gebührend in ihre Überlegungen einbeziehen müssten, eine schematische Vollstreckung der Urteile sei jedoch falsch.

Der vollständige Urteilstext (Az.: 52562/99 und 52620/99) kann in englischer Sprache auf der Internetseite des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte abgerufen werden

Bundesverband Freier Berufe

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Stellungnahme
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