Stellungnahme des BDP zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Entwurf eines Gesetzes zur Ausgestaltung der Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz – IKJHG) vom 16.9.2024

Stellungnahme

Berlin, den 2.10.2024

Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ausgestaltung der Inklusiven Kinder- und Jugendhilfe wird vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) und insbesondere von seinen Sektionen Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (VPP im BDP) und Klinische Psychologie begrüßt. Die sehr kurze Frist zur Stellungnahme führt zu einer auf das Wesentliche fokussierten Kurzfassung und es erfolgen nach dem 2.10.2024 unter Umständen weitere Ergänzungen des BDP im Gesetzgebungsverlauf. 

Eine Zusammenlegung der Leistungen zur Eingliederungshilfe und der Kinder- und Jugendhilfe als inklusive Kinder- und Jugendhilfe ist ein wichtiger Schritt, um die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen gemeinsam mit ihren Familien gezielt zu unterstützen und komplexe Bedarfe besser zu erfassen. 

Insbesondere die eigene Anspruchsberechtigung für Jugendliche, die Hilfen außerhalb ihres Elternhauses in Anspruch nehmen, ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt. Hierbei sollte jedoch generell auf die Einsichtsfähigkeit der Jugendlichen abgestellt werden. Vom Gesetzgeber ist aufgrund der individuellen Entwicklungsverläufe bei Kindern und Jugendlichen keine starre Altersgrenze vorgegeben. Entscheidend ist der individuelle Reifegrad unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles. Ist der Jugendliche einsichtsfähig und kann somit die Schwere und Risiken der zu erbringenden Hilfen erkennen und sich angemessen verhalten, gilt eine gesetzliche Schweigepflicht für alle am Prozess beteiligten Fachkräfte (§ 203 StGB) auch gegenüber den Personenberechtigten. Dies wird auch in diesem Entwurf noch immer nicht beachtet und somit die Rechte der Jugendlichen unter Vorgabe der Geschäftsfähigkeit eingeschränkt. Dies führt zu einer dringend notwendigen Überarbeitung des vorgelegten Entwurfs vor allem hinsichtlich des eigenen Rechtsanspruches für Jugendliche, auch wenn die Hilfen zur Erziehung innerhalb des Elternhauses erfolgen. Der BDP schließt sich hier der Forderung nach einem allumfassenden Rechtsanspruch für Jugendliche auf Hilfe zur Erziehung des Kompetenzzentrums Jugend-Check (KomJC) an.

Im Bereich der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen (§§ 35 ff. IKJHG-RefE) sehen wir ebenso die Notwendigkeit der Überarbeitung insofern, dass durch das Entfallen des bisherigen § 35a eine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen, die bisher Leistungen nach diesem erhalten haben, zu befürchten ist. Wir unterstützen das Vorhaben, Leistungen als Hilfen „aus einer Hand“ unabhängig von der Art der Behinderung zusammenzufassen. Gleichzeitig benötigen Kinder und Jugendliche mit (drohender) seelischer Behinderung umfassende Leistungen, insbesondere zur Teilhabe an Bildung und zur Sozialen Teilhabe, die im vorliegenden Entwurf nicht explizit benannt werden. Um Soziale Teilhabe zu sichern, müssen heilpädagogische und psychologische Leistungen einschließlich nichtärztlicher therapeutischer, sonderpädagogischer und psychosozialer Leistungen im Gesetz verankert sein, die abweichend von § 79 SGB IX über die Einschulung hinaus für die betreffenden jungen Menschen erbracht werden können.

Der BDP gibt weiterhin zu bedenken, dass im Entwurf sektorenübergreifende Strukturen zur ambulanten bzw. stationären Psychotherapie unberücksichtigt bleiben. Eine Beteiligung ist einerseits für die Bedarfsfeststellung (siehe § 38a Abs. 2) vorgesehen und wird durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe geprüft, „...ob für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs eine kürzere ärztliche Stellungnahme oder vergleichbare Bescheinigung insbesondere hinsichtlich des Vorliegens einer körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigung nach § 7 Absatz 2 Satz 2 und 3 erforderlich und ausreichend.“ Wenn dies bejaht wird, verweist der Entwurf auf § 17 Absatz 2 Satz 1 des Neunten Buches. Hierin heißt es: 

„(2) Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auftragserteilung.“ Wer hierbei die Kosten der gutachterlichen Stellungnahme trägt, wird im Entwurf an keiner Stelle des Gesetzes erwähnt und ist deshalb auch in der Begründung unter VI. Gesetzesfolgen, Punkt 5 Weitere Kosten nicht aufgeführt. Hier sollte dringend für die extern hinzugezogenen Fachkräfte Rechtssicherheit geschaffen werden und eine Kostenübernahme angelehnt an die Empfehlung zur Vergütung ärztlicher Leistungen (Gutachten und Befundberichte) für die gesetzliche Rentenversicherung vom 18.10.2022 erfolgen. Hier findet sich für Psychiatrie bzw. Psychotherapie ein Vergütungssatz von 250,96 €.

Andererseits wird in § 38c gefordert, dass bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfe- und Leistungsplans „...im Einzelfall diejenige Person oder Stelle, deren Stellungnahme, Bescheinigung oder Gutachten als Entscheidungsgrundlage dient, sowie der behandelnde Arzt beteiligt werden.“ Eine Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten und Psychotherapeuten sollte in jedem Fall erfolgen. Somit ist der Passus „im Einzelfall“ zu streichen und außerdem sind die Psychologischen Psychotherapeuten, Fachpsychotherapeuten und Kinder- und Jugendliche Psychotherapeuten zu ergänzen, um einen generellen Einbezug bei gleichzeitiger psychotherapeutischer Behandlung im Rahmen des SGB V zu etablieren. Aus aktuellem Anlass fordert der BDP dringend im kommenden Gesetz die neue Berufsbezeichnung des Fachpsychotherapeuten zusätzlich zu den Berufsbezeichnungen Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut zu benennen.

„(2) Der Sachverständige nimmt eine umfassende sozialmedizinische, bei Bedarf auch psychologische Begutachtung vor und erstellt das Gutachten innerhalb von zwei Wochen nach Auf-tragserteilung.“ Wer hierbei die Kosten der gutachterlichen Stellungnahme trägt, wird im Ent-wurf an keiner Stelle des Gesetzes erwähnt und ist deshalb auch in der Begründung unter VI. Gesetzesfolgen, Punkt 5 Weitere Kosten nicht aufgeführt. Hier sollte dringend für die extern hinzugezogenen Fachkräfte Rechtssicherheit geschaffen werden und eine Kostenübernahme angelehnt an die Empfehlung zur Vergütung ärztlicher Leistungen (Gutachten und Befundberichte) für die gesetzliche Rentenversicherung vom 18.10.2022 erfolgen. Hier findet sich für Psychiatrie bzw. Psychotherapie ein Vergütungssatz von 250,96 €.

Andererseits wird in § 38c gefordert, dass bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfe- und Leistungsplans „...im Einzelfall diejenige Person oder Stelle, deren Stellungnahme, Bescheinigung oder Gutachten als Entscheidungsgrundlage dient, sowie der behandelnde Arzt beteiligt werden.“ Eine Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten und Psychotherapeuten sollte in jedem Fall erfolgen. Somit ist der Passus „im Einzelfall“ zu streichen und außerdem sind die Psychologischen Psychotherapeuten, Fachpsychotherapeuten und Kinder- und Jugendliche Psychothera-peuten zu ergänzen, um einen generellen Einbezug bei gleichzeitiger psychotherapeutischer Behandlung im Rahmen des SGB V zu etablieren. Aus aktuellem Anlass fordert der BDP dringend im kommenden Gesetz die neue Berufsbezeichnung des Fachpsychotherapeuten zusätzlich zu den Berufsbezeichnungen Psychologischer Psychotherapeut und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut zu benennen.

§ 38c Abs.3 IKJHG -RefEAlternativvorschlag BDP
Bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfe- und Leistungsplans soll im Einzelfall diejenige Person oder Stelle, deren Stellungnahme, Bescheinigung oder Gutachten als Entscheidungsgrundlage dient, sowie der behandelnde Arzt beteiligt werden.Bei der Aufstellung und Überprüfung des Hilfe- und Leistungsplans soll im Einzelfall diejenige Person oder Stelle, deren Stellungnahme, Bescheinigung oder Gutachten als Entscheidungsgrundlage dient, sowie der behandelnde Arzt, der Psychologische Psychotherapeut, der Fachpsychotherapeut und/oder der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten beteiligt werden.

Der BDP unterstützt die von der Fachstelle Leaving Care und dem Beratungsforum JUGEND STÄRKEN eingebrachte Forderung, einen Rechtsstatus für Care Leaver*innen in den Begriffsbestimmungen des § 7 SGB VIII aufzunehmen, um die Elternunabhängigkeit von Leistungen und die Versorgungskontinuität zu sichern.

Der BDP begrüßt den Rechtsanspruch auf Hilfe für junge Volljährige sowie auf Nachbetreuung (§§ 41, 41a SGB VIII-RefE) und schließt sich der Forderung der AGJ an, dass in der Begründung ausdrücklich festgestellt wird, dass die inklusive Kinder- und Jugendhilfe nicht mit Erreichen der Volljährigkeit endet und auch junge Volljährige mit Behinderung einen Zugang zu Hilfe nach § 41 SGB VIII-RefE haben, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Das Recht der jungen Volljährigen auf eine diskriminierungsfreie soziale Teilhabe im Übergang ins Erwachsenenalter muss gewährleistet werden.

Gerne stehen wir für Fragen und Anregungen zur Verfügung.
Ihre Ansprechpersonen für den Berufsverband Deutsche Psychologinnen und Psychologen, zu erreichen unter info@bdp-verband.de:

Heike Bott

Sektion VPP im BDP 
Verband Psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten

Karin von Reventlow

Sektion Klinische Psychologie im BDP, Team „Klinische PsychologInnen in der Kinder- und Jugendhilfe“

Pascal Wassermann

Sektion Klinische Psychologie im BDP, Team „Klinische PsychologInnen in der Kinder- und Jugendhilfe“

Veröffentlicht am:
Kategorien:
Stellungnahme
VPP-Berufspolitik
SK Klinische Psychologie
Schlagworte:
Kinder- und Jugendliche
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