Stellungnahme des BDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) BR-DrS. 435/23

Stellungnahme

Berlin, 08.11.2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
als Berufsverband freuen wir uns über die Gelegenheit zur Stellungnahme zum Digital-Gesetz und möchten Ihnen hiermit unsere Position zum Gesetzesentwurf übermitteln. Für Fragen und Anregungen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.

  • 2) Leichte Anonymisierbarkeit als weiteres Ziel von Informationsobjekten

Der BDP begrüßt, dass die ePA weniger als parallele Behandlungsakte verstanden wird oder diese sogar ersetzt, geschweige denn als „wilde Datensammlung“ adressiert wird. Es ist zielführend, die ePA primär mit strukturierten Daten zu befüllen. Zwar verfolgt der Gesetzesentwurf dabei das Ziel der Interoperabilität als Voraussetzung für strukturierte Daten primär unter technischen Aspekten der Nutzbarkeit. Der BDP begrüßt den Ansatz aber auch als Chance für eine weitere Zielsetzung: Strukturierte Daten bieten auch die Gelegenheit, die Informationsobjekte frühzeitig zu anonymisieren, z.B. durch frühestmögliche Datenaggregation. Generell fördert eine primär strukturierte Befüllung der ePA nach Auffassung des BDP eine Aufteilbarkeit des Datensatzes und damit die Chance, dem größten Risiko der ePA entgegenzuwirken, nämlich dem ganz erheblichen Risiko des Missbrauchs der ePA als Persönlichkeitsprofil. Den Vorschlag des BDP zum Referentenentwurf, bei der Entwicklung von Infor-mationsobjekten auch das Ziel leichter Anonymisierbarkeit im Gesetzestext zu verankern, wurde bisher nicht aufgegriffen. Mindestens aber sollte das Ziel der leichten Anonymisierbarkeit von EPA-Daten in der Gesetzesbegründung zu § 342 Abs.2b (weitere Informationsobjekte) und zu § 355 Abs.1 (Festlegung Interoperabilität) Erwähnung finden.

  • 2) Erleichterung und Sicherung der Widerspruchsmöglichkeit, § 342

Auch wenn der BDP die Opt-out-Lösung grundsätzlich ablehnt, ist zumindest zu begrüßen, dass im Gesetzesentwurf des Digi-G Widersprüche differenziert möglich sind und sich sowohl auf die Befüllung und insbesondere auch auf den Zugriff durch Dritte beziehen können.
Allerdings sind Zweifel nicht ausgeräumt, dass die Widerspruchsmöglichkeit in der Anwendung zu umständlich wird, weil eventuell Wiederholungen und eine ständige Pflege der „Widerspruchslandschaft“ nötig ist, die die Patient*innen überfordern. Daher schlägt der BDP vor, in Orientierung an der geplanten Regelung des § 342 Abs.2 Satz 1c), z.B. als ein dieser Vorschrift angefügtes „t)“ den Widerspruch des Versicherten gem. § 353 durch Voreinstellungen derart zu erleichtern, dass er nicht zu spezifischen Dokumenten, Datensätzen, Gruppen von Dokumenten und Datensätzen und Informationsobjekten in der ePA einzeln bzw. nicht erneut, z.B. bei Zugriffen durch andere Zugriffsberechtigte erklärt werden muss.
Bisher ist nicht eindeutig erkennbar, dass ein einmal erklärter Widerspruch des Zugriffs auf bestimmte Informationsobjekte, Behandlungsdokumentationen (sofern auf expliziten Wunsch des Betroffenen in der ePA gespeichert sein sollten), bestimmten Dokumente, Datensätze oder z.B. den Entlassbrief dauerhaft auch für Zugriffe durch weitere grundsätzlich Zugriffsberechtigte wirkt.

  • 3) Opt-in, zumindest bei Daten zu psychischen Erkrankungen

Der BDP hält den Entlassbrief aus einer stationären Behandlung als Datum in der ePA für exemplarisch zu der Frage, mit welchen Zwecken und Verhältnismäßigkeiten Daten in der ePA gespeichert und dann weiterverarbeitet werden. Während weitere Daten aus psychotherapeutischen Behandlungen vorerst nicht standardmäßig in die ePA überführt werden (sondern erst, wenn dazu medizinische Informationsobjekte festgelegt werden sollten), ist der Entlassbrief in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern bereits von Beginn an zur ePA-Befüllung festgelegt und muss in die ePA gespeichert werden, wenn die betroffene Person nicht widerspricht. Der Entlassbrief enthält nicht selten hoch sensible Daten aus den Lebensbereichen des Betroffenen, die weit über Diagnose und Behandlung im engen Sinne hinausgehen können. Es ist deshalb mindestens angemessen, wenn in § 347 Abs.1 Satz 4 explizit über die Speicherung des Entlassbriefs aus Psychiatrie und Psychosomatik und die Möglichkeit des Widerspruchs informiert werden muss. Die Aufklärung über die Widerspruchsmöglichkeit sollte stets mündlich bzw. im persönlichen Gespräch mit den Behandelnden erfolgen. Der BDP hält jedoch weiterhin generell und damit auch Entlassbriefe betreffend eine explizite Zustimmung für angemessen, um der Patient*innenautonomie gerecht zu werden. Mindestens ist das bei Daten zu psychischen Erkrankungen, die oftmals intime Lebensbereiche und vertrauliche Daten Dritter umfassen, ratsam. Das gilt allerdings nicht nur für die Befüllung der ePA, die sich noch mit einer zentrierten Verfügbarkeit für die betroffenen Patient*innen selbst argumentieren lässt, sondern erst recht für spätere Zugriffe Dritter auf diese Daten. Im Vertrauensverhältnis der Behandlung ist es angemessen, Daten aus der ePA nicht ungefragt hinzuzuziehen. Das kann aber gemäß § 339 Abs.1 Digi-G regelmäßig geschehen, denn nur ausnahmsweise wird für wenige Daten eine Einwilligung verlangt. Insbesondere wenn Daten von der Krankenkasse automatisch in die ePA befüllt werden und Behandler*innen ohne Absprache darauf zugreifen können, verstetigt sich ein Informationsfluss an den Betroffenen vorbei. Das wäre mindestens für ein psychotherapeutisches Behandlungsverhältnis sehr bedenklich. Zwar kann jede betroffene Person selbst die eigene ePA umfänglich einsehen und gerät so in die Lage, mit differenzierten Widersprüchen und zeitlich beschränkten Zugriffen Einfluss auf den Informationsflüsse nehmen zu können. Allein die Möglichkeit löst aber nicht das Problem: Vielfach dürften Patient*innen andere Sorgen und nicht die Zeit haben, sich einzulesen und dann zu entscheiden. Als aktives Zurverfügungstellen auf Nachfrage des gegenübersitzenden Behandelnden ist es eine auch subjektiv gefühlte freiwillige Entscheidung, die zu transparentem und befürworteten Informationsfluss führt. Erst recht gelten die Vorteile und die Angemessenheit der regelhaften Opt-in-Lösung für die Zugriffe zu Forschungszwecken. Forschungszwecke können durchaus überzeugen - aber sie sollten auch diejenigen überzeugen, die ihre Daten dafür zur Verfügung stellen sollen und zwar als aktive und nicht als passive und meist fiktiv unterstellte Zustimmung.

  • 4) Minderjährigen alleinige Rechte zur ePA einräumen

Die Belange von Minderjährigen werden im Gesetzentwurf nicht gesondert adressiert. Gerade Daten zu psychischen Erkrankungen und Behandlungen bei Kindern und Jugendlichen enthalten sensible Angaben zu Dritten, wie Geschwistern oder Sorgeberechtigten. Dabei erscheint eine Regelung für Jugendliche auch deswegen sinnvoll, weil es hier nicht um die Behandlung oder Versorgung von Minderjährigen geht, sondern um deren informationelles Selbstbestimmungsrecht. Das führt schon seit dem Patientenrechtegesetz 2013 zu einigen Abgrenzungsfragen zum Akteneinsichtsrecht durch Eltern gegen den Willen ihrer jugendlichen Kinder. Insoweit wäre es angemessen, bei der Anlage der ePA, bei der Befüllung der ePA, beim Zugriff auf die ePA und bei Löschrechten klarzustellen, dass ab Einwilligungsfähigkeit, mindestens ab dem Alter der Sozialrechtsmündigkeit, also ab dem Alter von 15 Jahren, die im Gesetzentwurf genannten Rechte, insbesondere zur Einwilligung, zum Widerspruch und zur Löschung Minderjährige ohne oder ggf. auch gegen den Willen der Erziehungsberechtigten allein ausüben dürfen.

  • 5) Mengenbegrenzungen für Videobehandlungen, § 87 Abs.2n

Der BDP befürwortet die Psychotherapie von Angesicht zu Angesicht als den Goldstandard. Vor diesem Hintergrund lehnt der BDP einen gesetzlichen Auftrag an den G-BA ab, die Videosprechstunde „im weiten Umfang“ zu ermöglichen. Eine Begrenzung der Behandlungsfälle auf 30 %, die pro Quartal ausschließlich per Video psychotherapeutisch behandelt werden dürfen, sollte erhalten bleiben.

  • 6) IT-Sicherheitsrichtlinie, § 390 Abs.5: Benehmen auch mit der BPtK

Warum neben der Ärzte- und Zahnärztekammer nicht auch die Bundespsychotherapeutenkammer in die Reihe der Institutionen aufgenommen wird, mit denen ein Einvernehmen herzustellen ist, ist nicht nachvollziehbar. Es bedarf der Ergänzung des § 390 Abs.5

  • 7) DiGA nur mit Wirknachweis und nur im Behandlungskontext

Bestimmte DiGA können eine Psychotherapie unterstützen. Es ist aber nötig, dass DiGA bei psychischen Erkrankungen nicht ohne eine leitlinienorientierte Behandlung bzw. Psychotherapie genutzt werden, insbesondere nicht, wenn sie bei psychisch Kranken als Ersetzung oder zur Überbrückung gedacht sind, ohne dass Diagnostik und Indikationsstellung bereits vorliegen.
Dass DiGA einen medizinischen Nutzen nachweisen müssen, muss für alle DiGA gelten, unabhängig von der Risikoklasse. DiGa auf Probe durch Gesetzliche Krankenkassen zu finanzieren ist nicht überzeugend.

Susanne Berwanger
Vizepräsidentin BDP

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Kategorien:
Stellungnahme
Digitale Gesellschaft und Psychologie
Datenschutz
Schlagworte:
Digitalisierung
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