BDP Resolution: Gesundheitsdatenschutz im Rahmen staatlicher Digitalisierung

Der BDP befürwortet wissenschaftliche Forschung. Nur mit wissenschaftlicher Forschung können Geschehnisse, wie die aktuelle pandemische Lage, gemeistert werden. Eine gezielte Nutzung von Gesundheitsdaten ist hierfür sinnvoll. Die neue Regierungskoalition plant ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz. Der BDP begrüßt hier explizit die angekündigte Wahrung der DSGVO. Daten zu psychischen Erkrankungen oder deren Behandlungen bergen das Risiko von Stigmatisierung und beinhalten sehr private Inhalte (z.B. der Entlassbrief aus einer psychiatrischen Klinik). Regelungen des Patientendatenschutzgesetzes PDSG müssen bestehen bleiben. Unter diesen Regularien haben sich Leistungserbringende an die Telematik Infrastruktur anschließen lassen. Diese Regelungen dürfen nicht nach Anschluss wieder zurückgenommen werden.

Der BDP stellt deshalb folgende Forderungen:

1. Opt-In-Regelung der elektronischen Patientenakte ePA muss erhalten bleiben.

Die neue Regierung hat ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht. Auf Seite 83 ist darin eine Opt-Out Regelung (in Bezug auf die Bereitstellung der ePA-Anwendung allgemein) enthalten. Das würde bedeuten, dass Patient:innen der Nutzung der ePA aktiv widersprechen müssten. Bisher braucht es eine aktive Inanspruchnahme (Opt-in). Politische Bestrebungen (siehe CSU 2021 sowie auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung des Gesundheitswesens) fordern zusätzlich ein Opt-Out bezogen auf zu speichernde Inhalte der ePA (z.B. Befunde, Arztbriefe) gesetzlich Versicherter, die dann „automatisiert“ und ohne Rücksprache in der ePA gespeichert würden. Die zugesicherten Opt-In-Regularien des Patientendatenschutzgesetzes (PDSG) würden somit nach Implementierung der Telematik Infrastruktur ausgesetzt. Dies ist abzulehnen. Falls ein Opt-Out gesetzlich eingeführt würde, sollten Daten zu psychischen Erkrankungen, insbesondere Psychotherapiedaten, aus der ePA ausgeschlossen werden.

2. Nur mit expliziter Einzelfall-Zustimmung von Versicherten sollen Krankenkassen ePA-Dokumente einsehen dürfen.

Mit §345 SGB V hat der Gesetzgeber Kranken¬kassen das Recht gegeben, Einblick in ePA Daten zu erhalten, wenn Versicherte (neben der ePA) auch andere Anwendungen der Krankenkasse nutzen. Gesetzliche Krankenkassen (z.B. AOK) bieten aktuell Versicherten die ePA im Rahmen einer "kombinierten Anwendung“ an. Einblick von Krankenkassen in ePA Daten sollte nur möglich sein, wenn Versicherte zuvor explizit und auf Dokumentenebene Daten zur Verfügung stellen. Krankenassen sollte nicht generell (z.B. nach Unterzeichnung der aktuellen 12-seitigen Information zur ePA-Nutzung) die Möglichkeit gegeben werden, Einblicke in alle ePA-Daten zu erhalten.

3. Keine Freigabe von Gesundheitsdaten im Rahmen europäischer Strafverfolgung gemäß des aktuellen e-Evidence-Verordnungsentwurfes.

Die EU-Kommission hat Vorschläge zum Zugriff von Strafverfolgungsbehörden auf digitale Daten in anderen Staaten in Form eines Richtlinienentwurfs und eines Verordnungsentwurfs vorgelegt (e-Evidence-Verordnung) und zwar unabhängig davon, ob im Staat des Zugriffs die vorgeworfene Tat ebenfalls strafbar ist. Insbesondere die Abkehr vom Grundsatz der doppelten bzw. beiderseitigen Strafbarkeit ist sehr kritisch zu bewerten. Cloudgespeicherte Daten aus ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandlungen sind aus diesbzgl. Herausgaberegelungen explizit auszuschließen.

4. Forschungsdatenfreigabe nur für wissenschaftlich begründete Forschungsvorhaben.

Die CSU fordert neben dem Opt-Out zugleich die Freigabe national gespeicherter Gesundheitsdaten für Pharmaunternehmen. Daten der elektronischen Patientenakte ePA können zukünftig über die sogenannte Datenspende an das nationale Forschungsdatenzentrum weitergegeben werden. Bislang ist die Verwendung dort gespeicherter Gesundheitsdaten (z. B. abgerechnete Leistungen, Diagnosen, Alter, Geschlecht) noch relativ gut kontrolliert. Eine Zurverfügungstellung dieser Gesundheitsdaten für die Industrie würde bedeuten, Grundprinzipien einer interessenunabhängigen, wissenschaftlich orientierten Forschung auszuhebeln. Nur wissenschaftlich fundierte Forschungsergebnisse sind für Heilkunde und Medizin nutzbar. Die aktuellen Regularien zur Forschungsdatennutzung müssen erhalten bleiben. In einem zukünftigen Gesetz der Gesundheitsdatennutzung muss die wissenschaftliche Nutzungsbegrenzung festgeschrieben werden.

BDP Delegiertenkonferenz 2/2021, den 28.11.2021

Quellen

1. Koalitionsvertrag, S. 83

https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf

2. CSU Wahlprogramm 2021, S. 13

Zitat: „Wir setzen auf personalisierte und digitale Medizin. In der Nutzung unserer Gesundheitsdaten stecken enorme Präventions- und Heilungspotenziale. Wir wollen sie zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger heben. Dafür wollen wir die elektronische Patientenakte durch einen Wechsel zum Opt-Out-Modell stärken, begleitet von einer bundesweiten Öffentlichkeitskampagne. Zudem wollen wir es forschenden Pharmaunternehmen ermöglichen, das Forschungsdatenzentrum zu nutzen, um die Entwicklung von innovativen pharmazeutischen Ansätzen zu ermöglichen bzw. zu fördern. Bayern wollen wir zum Motor der Telematikinfrastruktur machen.“

3. Digitalisierungsgutachten Sachverständigenrat SVR 2021

Sachverständigenrat überreicht Gutachten zur Digitalisierung - Bundesgesundheitsministerium

4. AOK Mein Leben App

https://www.aok.de/kp/bw/elektronische-patientenakte-aok-mein-leben-app/

Zitat: „Einmal über die AOK Mein Leben-App registriert, können Sie als AOK-Versicherter unter anderem die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen und dadurch auf Ihre eigenen medizinischen Informationen zentral zugreifen. Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte stärkt der Gesetzgeber die Rolle der Versicherten, indem sie erstmals selbstbestimmt über ihre Gesundheitsdaten verfügen.“

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Kategorien:
Resolution
Digitale Gesellschaft und Psychologie
Schlagworte:
Digitalisierung
ePA & EHDS
elektronische Patientenakte
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