Appell zur Besinnung

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Als Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen beobachten wir mit Erschrecken und großer Sorge die Situation und Entwicklungen im Nahen Osten und in Deutschland.

Die schrecklichen Ereignisse in Israel und Palästina bedrücken Menschen sehr stark und polarisieren. Extreme Ereignisse und furchtbares Leid treffen alle Beteiligten, vertiefen bestehende Gräben und eskalieren Auseinandersetzungen zwischen Kulturen und Gruppen.

Während vor Ort weiterhin Menschen direkt um ihre eigene Sicherheit fürchten, verletzt werden, sterben, psychische Traumata erfahren, Angehörige verlieren und um ihr Leben fliehen, sorgen sich alle indirekt Betroffenen, auch hier in Deutschland, um ihre Familienangehörigen, Freunde und Bekannte vor Ort und in der Region.

Auch von den Ereignissen nicht familiär betroffene Menschen in unserem Land erleben große psychische Spannungen, moralische Dilemmata und kognitive Dissonanzen. Es müssen Antworten und Haltungen zu schwierigen Fragen gefunden werden. Z. B.: Was ist in der aktuellen Situation „richtig“ und was „falsch“? Was ist „erlaubt“ und was „verboten“? Wie kann man in einer derartig komplexen Situation Solidarität zeigen und dennoch gegen zivile Opfer sein und dies, ohne anderen dabei als unsolidarisch oder gefühlskalt zu erscheinen?

Diese psychischen Anforderungen treffen uns Menschen zudem nach und zeitgleich zu anderen großen Krisen: Coronaepidemie, Klimawandel, Kriege scheinen uns endgültig zu überfordern. Täglich sind wir zudem einem hoch emotionalen Bildersturm ausgesetzt, der Spannungen und  Handlungsdruck weiter erhöht. In der Folge erleben wir hier wissenschaftlich gut erforschte psychische Reaktionen: Schock, Erstarren, Hilflosigkeit, Resignation, Vermeidung und Aktionismus. Als Psychologinnen und Psychologen möchten wir daran erinnern, dass die menschlich und emotional zwar verständlichen Reaktionen in Krisenmomenten wie z. B. kognitive Einengung, Freund/Feind-Denken und impulsive Handlungen meistens nicht zu einer langfristigen Auflösung der Konflikte und der Erinnerungen daran führen.

Spiralen von Gewalterfahrungen und Traumatisierung drohen die notwendige Auseinandersetzung in Richtung einer längerfristigen Verständigung in weite Ferne zu rücken. Betroffenen erscheint es unvorstellbar, zu vergessen und einen Dialog aufzunehmen. Handelnde nehmen sich zumeist nur als Reagierende wahr und gehen davon aus, im Recht und mit guten Absichten zu handeln. Als einzelne Menschen, Angehörige von Gruppen, Nationen und insbesondere als Entscheidungsträger stehen wir vor einer zivilisatorischen Herausforderung die u. a. darin besteht, schneller als bisher „über unseren Schatten zu springen“ und uns bekannte Notwendigkeiten zu einem langfristigen Miteinander auch über schlimmste Erfahrungen hinweg ins Auge zu fassen und anzusteuern.

Beispiele für Vergebung bzw. Versöhnungsprozesse zwischen Völkern und Gruppen geben Anlass zum Nachdenken über Lösungswege in der Zukunft. Die hohe Eskalationsstufe und das bereits eingetretene Ausmaß an Leid fordern dringend zum Innehalten und zur Umkehr auf.

Als Psychologinnen und Psychologen möchten wir daher alle Menschen dazu aufrufen, Mut zu haben und über ihre individuellen Schatten zu springen. Nachhaltige Veränderungen sind zu Beginn fast immer unbequem und stoßen auf große Widerstände. Möge sich jeder Mensch im Rahmen seiner eigenen Möglichkeiten für eine schnellstmögliche und nachhaltige Beendigung dieser Gewaltspirale, einer langfristigen Lösung des Konfliktes und eines friedlichen und empathischen Miteinanders einsetzen.

Kontakt:
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.
Vorstand
Telefon: 030 209 166 612
E-Mail: sekretariat@bdp-verband.de
Web: www.bdp-verband.de

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Menschenrechte
Psychologie in Krisen
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